Wenn Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy daran erinnert werde, dass er nicht mehr EU-Ratspräsident sei, überkämen ihn "Phantomschmerzen", erzählen Diplomaten in Brüssel.

Bereits Ende November 2008, einen Monat vor dem Ende seiner Amtszeit, ließ er die nachfolgenden Tschechen wissen, dass er gerne bereitstehe, auch im ersten Halbjahr 2009 den Vorsitz zu übernehmen, falls die Tschechen noch einige Erfahrungen sammeln wollten. Seinem Nachfolger, dem tschechischen Premier Mirek Topolánek, erzählte Sarkozy beim vertraulichen Mittagessen im Élysée-Palast Schauergeschichten, um wenigstens den Vorsitz in der Mittelmeer-Union behalten zu können: "Der algerische Präsident Bouteflika, der Tunesier, der marokkanische König, Libyen und Israel. Eine schreckliche Arbeit. Weißt du, was das bedeutet, allein gegen alle Araber zu stehen? Sie am Telefon zu haben? Sie sind schrecklich. Ich schwöre es."

Wenige Tage später berichteten tschechische Medien ausführlich über das vertrauliche Gespräch - möglicherweise "von ganz oben" lanciert, meinen Insider. Sarkozy wolle auch nach dem Ende der EU-Ratspräsidentschaft "den Hut als Chefdiplomat Europas aufbehalten, schrieb Le Figaro.

Aber auch ohne die "Hilfe" Frankreichs traten die Tschechen in so manches Fettnäpfchen. So meinte die Präsidentschaft am Beginn der Gaskrise Anfang Jänner, dies sei "ein bilaterales Problem" zwischen Russland und der Ukraine und gehe die EU nichts an. Erst Tage später gab es erste zögerliche Kontakte der Tschechen mit den Führungen in Russland und der Ukraine - viel zu spät, wie Sarkozy genüsslich festhielt.

Die nächste kräftigere Auseinandersetzung löste Sarkozy aus, als er Staatshilfen für die marode Autoindustrie mit der Forderung verband, dass die französischen Hersteller ihre Produktion aus Tschechien abziehen und nach Frankreich verlegen müssten.

Topolánek warf daraufhin Sarkozy vor, die Ratifizierung des EU-Reformvertrages zu gefährden. Die Aussagen Sarkozys seien "unglaublich", sagte Topolánek. "Falls jemand die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages ernsthaft gefährden wollte, konnte er dafür kein besseres Mittel auswählen".

Auch im EU-Parlament ist man mit der Vorsitzführung weniger zufrieden. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz, hat die EU-Ratspräsidentschaft als "Totalausfall" bezeichnet. "Die tschechische Ratspräsidentschaft findet in der ganzen Diskussion, in der wir jetzt sind, überhaupt nicht statt", kritisierte Schulz mit Blick auf die Wirtschaftskrise. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2009)