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Die Zukunft der Videoüberwachung liegt in adaptiven Systemen, bei denen die Kameras die Arbeit der Menschen vor den Monitoren übernehmen.

Foto: APA/EPA/OLIVER BERG

Geschätzte 250.000 Überwachungskameras sind in ganz Österreich im Einsatz - und es werden immer mehr. Nicht nur in Flughäfen, Bahnhöfen und Einkaufszentren, auch in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Plätzen sind die elektronischen Augen ständig präsent.

Parallel dazu versucht die Forschung, die Videoüberwachung mit neuen Technologien zu optimieren, und zwar sowohl im Sinne der Beobachter als auch der Beobachteten. Dabei arbeiten Wissenschafter aus dem Bereich Visual Computing vor allem daran, Kameras von reinen Übertragungsmedien zu intelligenten, sehenden Computern zu machen, die den Menschen vor dem Monitor ersetzen oder zumindest unterstützen.

"Bei momentanen Videoüberwachungssystemen muss jede Kamera separat konfiguriert werden, um eine optimale Performanz zu erreichen", erläutert Horst Bischof vom Institute for Computer Graphics and Vision der TU Graz. "Durch die Zunahme an Kameras werden die Systeme immer aufwändiger und komplexer, wodurch die Fehlerhäufigkeit steigt. Um die Sicherheit zu erhöhen, wird bei zukünftigen Systemen autonomes Lernen eine wesentliche Rolle spielen."

Ein selbstlernendes System zu entwickeln, das selbst bei hunderten Kameraeinstellungen nicht den Überblick verliert und verlässlich arbeitet, war auch das Ziel des von Bischof geleiteten Projekts "Autovista - Advanced Unsupervised Monitoring and Visualisation of Complex Scenarios", an dem auch das Institut für Computergrafik und Wissensvisualisierung sowie Arsenal Research und Siemens beteiligt sind.

Dabei wurden Lernalgorithmen entwickelt, die es den Kameras ermöglichen, sich permanent und autonom an die spezifischen Verhältnisse zu adaptieren, um Personen sicherer detektieren zu können und nicht etwa mit anderen Objekten zu verwechseln. "Wenn das System weiß, was typisch ist, kann es auch abweichende Verhältnisse und auffälliges Verhalten trainieren," sagt Bischof.

Das Problem der Unübersichtlichkeit beim Hin-und-Her-Schalten zwischen einer Vielzahl von Monitoren hat Autovista mit einer neuen Visualisierungsmethode gelöst: Ähnlich wie in einem Computerspiel kann sich der Beobachter in einem dreidimensionalen Modell, das das zu überwachende Gebäude darstellt, bewegen, sich überall hinein- und wieder hinauszoomen und Personen verfolgen.

Anonymisierte Visualisierung

"Im Idealfall werden keine Bilder übermittelt, sondern nur die Koordinaten, an denen sich eine Person gerade befindet", erklärt Bischof. "Die Videobilder verlassen die Kamera gar nicht und werden nur abgerufen, wenn sie gebraucht werden." In diesem Fall kann das System die Person auch in den Archiven zurückverfolgen, ohne dass Bänder zurückgespult werden müssen. Durch Computer-Vision-Technologien wird es auch einfacher, Personen unkenntlich zu machen und den Datenschutz zu erhöhen (siehe auch Artikel rechts).

Ein weiterer Bestandteil von Autovista ist die Entwicklung von Algorithmen, die Personenströme in Stadien oder in U-Bahnen visualisieren und analysieren, um etwa Panik erkennen zu können.

Das Nachfolgeprojekt namens "Outlier - Online and Unattended Learning for Implicit Event Recognition", das kürzlich im IT-Forschungsprogramm FIT-IT mit dem ersten Platz im Bereich Visual Computing ausgezeichnet wurde, setzt da an: Gemeinsam mit Joanneum Research und Siemens will die TU Graz neue Analysemethoden für das automatische Erkennen ungewöhnlicher Situationen auf öffentlichen Plätzen und im Verkehr erforschen.

Die Analyse von Bewegungen, Personen- und Verkehrsströmen mittels Videoüberwachung steht auch im Mittelpunkt weiterer Forschungsprojekte: So wurde am VRVis, dem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung, "3D-Inside" entwickelt, das aus digitalen Bildern eine 3-D-Rekonstruktion von Innenräumen wie Bahnhöfen herstellt, in der die Bewegungsprofile von Menschenströmen aufgezeichnet und simuliert werden. Damit sollen etwa Engstellen, an denen gefährliche Situationen für Passanten entstehen können, erkannt oder die optimale Anbringung von Wegweisern oder Werbetafeln ermittelt werden.

Menschen im Flow

In Puntigam, einem Stadtteil von Graz, beobachtet das Institut für Digitale Bildverarbeitung am Joanneum Research das Umsteigeverhalten der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel und setzt es in Beziehung mit Informationen über Wetterbedingungen und Großereignisse wie Fußballspiele. Die Herausforderung des vom Infrastrukturministeriums finanzierten Projekts "Netflow": Eine von einer Kamera beobachtete Person, die zum Beispiel einen Bus nimmt, muss beim Aussteigen von der nächsten Kamera erkannt werden.

Für die Forscher bietet die Überwachungstechnologie jedenfalls ein wertvolles Anwendungsgebiet, wie Horst Bischof betont: "Wir können mit diesen Szenarien fundamentale theoretische Fragen der Computer-Vision umsetzen." (Karin Krichmayr/STANDARD,Printausgabe, 25.3.2009)