Wien - Es gibt eine erste Reaktion der Politik auf das Mehrheitsvotum der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt für die embryonale Stammzellforschung: Der Ministerrat hat heute, Dienstag, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) mit der Leitung einer Arbeitsgruppe zum Thema Bioethik beauftragt. Dieser gehören neben Hahns Ministerium auch das Justiz- und Gesundheitsministerium sowie das Bundeskanzleramt an. "Der Minister wird in den nächsten Wochen zu einer ersten Arbeitsrunde laden", teilte ein Sprecher Hahns gegenüber der APA mit.

Vorrangiges Ziel der nun eingerichteten Arbeitsgruppe soll laut Hahns Sprecher "ein einheitliches Gesetz, sprich die Schließung der vorhandenen Gesetzeslücken" sein. Inhaltliche Festlegungen seien im Ministerrat aber keine getroffen worden. Die Bioethikkommission hatte sich in ihren Empfehlungen mehrheitlich für die Schaffung eines neuen gesetzlichen Regelwerks ausgesprochen. 17 Kommissionsmitglieder plädierten für eine Liberalisierung. So soll die Herstellung von embryonalen Stammzellen (ES) aus bei der Befruchtung außerhalb des Mutterleibes anfallenden Embryonen in Österreich erlaubt werden. Fünf Mitglieder waren gegen derartige Liberalisierungen.

Bei der Befruchtung außerhalb des Mutterleibes anfallende Embryonen müssen derzeit nach einer gesetzlich geregelten, mehrjährigen Frist vernichtet werden. "Die Frage ist nur: Ist es nicht ethisch anständiger und klüger, vorher aus diesen Zellen Wissen, Nutzen und Erkenntnisse zu ziehen, die uns erlauben, Erkrankungen besser verstehen zu können", sprach sich Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen, für die Nutzung der überzähligen Embryonen zu Forschungszwecken im "Ö1 Morgenjournal" aus.

Bezüglich des möglichen Missbrauchs von Embryonen verwies Grünewald auf das vom Europarat erlassene Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin ("Bioethik-Konvention"). Darin werde "jeder kommerzielle Handel oder Missbrauch menschlichen Gewebes und menschlicher Zellen" und "das Klonen von Menschen" verboten. Allerdings: "Österreich ist dieser Konvention nicht beigetreten, aus völlig unverständlichen Gründen", so Grünewald. "Wenn man sich an diese Konvention hält, wenn man sich an Gesetze hält, die verschärft oder verfeinert werden müssen, halte ich einen Missbrauch nach menschlichem Ermessen für so gut wie ausgeschlossen."

In elf EU-Ländern gesetzlich geregelt und erlaubt

In elf EU-Ländern ist es laut Doris Wolfslehner, Leiterin der Geschäftsstelle der Bioethikkommission, gesetzlich geregelt und erlaubt, überzählige Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation (IVF) - so wie es auch die Kommission für Österreich empfiehlt - für die ES-Forschung zu verwenden: Belgien, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Spanien, Finnland, Frankreich, die Niederlande, Portugal, Schweden und Großbritannien. Dabei gehen vier Länder - Belgien, Spanien, Schweden und Großbritannien - sogar noch einen Schritt weiter: Sie haben die Erzeugung von Embryonen rein zu Forschungszwecken zugelassen - ein Ansatz, der von der österreichischen Bioethikkommission klar abgelehnt wird. Jene vier Staaten haben auch nicht die "Bioethik-Konvention" des Europarats unterzeichnet, die ein solches Vorgehen nicht erlaubt.

Die mehrheitlich von der Bioethikkommission abgelehnte "Stichtagsregelung" (Stammzelllinien müssen vor willkürlich festgegeltem Datum erzeugt und registriert worden sein, um verwendet werden zu dürfen), mit der ein laufender Verbrauch von Embryonen zur Erzeugung von ES verhindert werden soll, ist eine rein deutsche Erfindung und damit bisher noch einzigartig in der EU. (APA)