Wien - "Wie lautet die beste Definition von Vertrauen? Two cannibals giving each other a blow job."
Das ist noch einer der harmloseren Witze aus dem Mund der jungen Choreografin und Tänzerin Agata Maszkiewicz in ihrem jüngsten Stück "Polska 2". Oder: Was ist der Unterschied zwischen einem Job und einer Ehefrau? - "After ten years, the job still sucks." Flüstern, unsicheres Lachen im Publikum. Darf man über so etwas lachen?

Aus subtiler Diskursbildung schälte sich im zweiten Teil von "imagetanz 09" im brut Wien provokative Ambivalenz und politische Schärfe, die von dem Berliner Hypechoreografen Jeremy Wade, dem polnischen Österreicher Cezary Tomaszewski, dem französischen Künstlerduo François Chaignaud & Cecilia Bengolea und eben Maszkiewicz ausgingen.

Während Wade in seinem Solo "I Offer Myself to Thee" mit dem Pathos eines neurotischen Predigers aufgeigte, setzten sich die Franzosen in dem Duett "Pâquerette" mit lustveredelten Mienen auf wohlgeformte Dildos.

Beide Performances thematisierten, nun ja, Eindringlichkeit auf unterschiedliche Art. Wade suchte die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer mit verführerischer Intensität in Wort, Licht, Musik und Gestik zu erobern. Eine konzeptuell schwache Arbeit, die von Cezary Tomaszewskis frauenfeindlichem Männersolo "Liebeslieder Walzer op. 52" noch unterboten wurde.

Dem hielten Chaignaud & Bengolea etwas entgegen, das im Boulevard als Tabubruch gehandelt wird: den Griff unter die Haut, die Selbstpenetration, die Erschließung des Schließmuskels. Ein Mann und eine Frau zeigten, was eine Hebung im Tanz mitteilt, wenn die Tänzer diese nackt und mit dem Finger im Anus des Gehobenen ausführen. Der Finger leitet den Blick ins Körperinnere. "Pâquerette" vollendet, was schon das Ballett in einigen seiner Hebefiguren andeutet: den Durchbruch des Tanzes in den Körper.

Die polnische Nachwuchshoffnung mit Wiener Wohnsitz, Agata Maszkiewicz, gab sich noch radikaler. Angetan mit einem sexy Sportdress, über die Brust groß "Polska" geschrieben, zielte sie auf das Heiligste des heutigen Nationalismus: die vorgebliche Unschuld des Sports. Mit einem Found-Footage-Video, das schmerzliche Unfälle aus verschiedenen Sportarten zeigte, betrieb sie eine gnadenlose Abrechnung mit national(istisch) er Identifikation. Sie entlarvte, siehe oben, auf einen Streich die Bosheit landesüblicher Witze, folkloristische Verblendung, den Blick des Voyeurs und die Doppelbödigkeit der Popkultur als Pseudointernationalismus. Und das in der Erscheinung eines fotomodellhaften Körpers mit der spangerlgehaltenen Frisur einer Musterschülerin. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 24.03.2009)