Wien - Der Anteil der über 60-Jährigen wird sich gegenüber heute bis zum Jahr 2035 auf bis zu 38 Prozent fast verdoppeln, damit werden Alters-assoziierte neurologische Krankheiten auch weiterhin massiv zunehmen. Der Neuro-Geriatrie, Neuro-Intensivmedizin und Neuro-Rehabilitation kommen somit immer stärkere Bedeutung zu.

Wissenschaftliche Neuerungen werden im Rahmen der 7. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurolgogie (ÖGN), des größten österreichischen Neurologie-Kongresses, von 25. bis 28. März in Villach diskutiert.

Häufigeres Überleben durch Intensiv- und Akut-Neurologie

"Dank der Fortschritte der modernen Intensiv- und Akut-Neurologie überleben viel mehr Patienten als früher ein Akutereignis wie einen Schlaganfall oder eine Schädel-Hirn-Verletzung. Damit steigen jedoch die Anforderungen an die Neuro-Rehabilitation beträchtlich, weshalb dieser Gesichtspunkt in Villach einen sehr hohen Stellenwert hat", so ÖGN-Präsident Ackerl. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neurologie und Neurochirurgie, Neurologischer Intensivmedizin, Neurorehabilitation und Neurogeriatrie ist wesentlicher Themenschwerpunkte der Tagung.

Explosive Zunahme Alters-assoziierter neurologischer Krankheiten

Das Schlaganfall-Risiko verdoppelt sich ab dem 6. Lebensjahr alle fünf Jahre. Nach aktuellen Hochrechnungen wird es in Österreich im Jahr 2020 etwa 5.000 Schlaganfälle mehr geben als jetzt. Auch die Anzahl der Menschen mit peripheren Nervenerkrankungen wird deutlich zunehmen. Degenerative Erkrankungen wie Parkinson oder die Alzheimer-Demenz steigen zwar erst nach dem 60. Lebensjahr rapide an. Doch durch die steigende Lebenserwartung wird sich Berechnungen zufolge die Zahl der Parkinson-Kranken weltweit im kommenden Vierteljahrhundert verdoppeln. Laut WHO tragen neurologische Erkrankungen heute in etwa 50 Prozent der Fälle zu chronischer Behinderung bei - in einer älter werdenden Gesellschaft wird diese Kurve sukzessive weiter nach oben weisen.

Medikamentenflut: Alter ist keine Krankheit

"Dass im Alter manches nachlässt muss aber nicht gleichbedeutend sein mit Krankheit und bringt nicht automatisch die Notwendigkeit pharmakologischer Therapie," so Peter Kapeller, Vorstand der Neurologischen Abteilung am LKH Villach, im Vorfeld der 7. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie. Denn nicht jede Vergesslichkeit ist Demenz, nicht jede Gangschwierigkeit ist der Vorbote von Morbus Parkinson, nicht jede Sprachschwierigkeit entstammt einer Transitorischen ischämischen Attacke ("Schlagerl"), nicht jeder Schwindel braucht Medikamente. Kapeller appelliert für die kritische Hiterfragung und Neu-Bewertung wenn es darum geht, ob und wann die Verordnung eines Arzneimittels angemessen ist.

Parallel zur Krankheitshäufigkeit, die im Alter steigt, erhöht sich auch der Medikamentenkonsum. Daraus ergibt sich der neuromedizinisch auffällige Problemkreis der Mehrfachmedikation ("Polypharmazie"), also die Verabreichung von mindestens sechs unterschiedlichen Medikamenten pro Tag. Die Wechselwirklungen von Medikamenten können immer schwerer überblickt und eingeschätzt werden, je mehr davon verabreicht werden. "Ziel des Schwerpunktthemas 'Neurologie im Alter' der 7. Jahrestagung der ÖGN ist deshalb einerseits die Bewusstseinsbildung bezüglich Poly-Pharmakotherapie sowohl unter Fachkollegen als auch in der betroffenen Bevölkerung", sagt Kapeller.

Neurologie-Kongress in Villach

Die 7. Jahrestagung der ÖGN, der größte österreichische Neurologie-Kongress, findet von 25. bis 28. März im Congress Center Villach statt, und wird gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Neurorehabilitation (ÖGNR) abgehalten. "Beiden Gesellschaften ist es besonders wichtig, nicht nur die rasanten Entwicklungen in der Neurologie zu präsentieren, sondern auch die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Neuerungen in die tägliche Praxis herauszustreichen", so ÖGN-Präsident Michael Ackerl (Neurologe in Oberpullendorf). (red)