Die zunehmende Verbreitung von Internet-fähigen Smartphone-Handys sorgt derzeit für einigen Unmut in US-amerikanischen Gerichtssälen. Wie die New York Times berichtet, kam es in den vergangenen Wochen zu zwei Fällen, wo der eigentlich schon beschlossene Urteilsspruch nachträglich aufgrund von Fehlverhalten der Jury-Mitglieder wieder fallengelassen werden musste. Diese hatten gegen das ausdrückliche gesetzliche Verbot gehandelt und sich online zu dem gerade verhandelten Fall schlau gemacht. Teilweise hatten die Geschworenen sogar per Mobiltelefon direkt aus dem Gerichtssaal über Community-Portale wie Facebook oder Twitter mit Bekannten Kontakt aufgenommen und sensible Informationen zum aktuellen Prozessverlauf preisgegeben. Den zuständigen Richtern blieb nach Auffliegen der Verfehlungen nichts anderes übrig, als die Verhandlungen aufgrund von "Fehlern in der Prozessführung" für nichtig zu erklären.

Rechtslage

"Eine Geschworenen-Jury wie im US-Rechtssystem gibt es in Deutschland nicht. Bei Strafverfahren werden aber sogenannte Schöffen eingesetzt, die als eine Art ehrenamtliche Richter fungieren", stellt Marius Meurer, Fachanwalt für Strafrecht, fest. Für diese würden im Prinzip ähnliche Regelungen gelten wie für Berufsrichter. "Das Geschworenen- und Schöffengesetz sieht vor, dass Schöffen aufgrund ihrer Befangenheit von Verhandlungen ausgeschlossen werden können. Hierzu zählt auch das Verbot, sich in Eigenregie zum gerade verhandelten Fall zu informieren", betont Meurer. Auch das Sprechen über Verhandlungsverlauf oder -inhalte sei den in Deutschland grundsätzlich sehr streng ausgewählten Laienrichtern nicht gestattet. "Durch diese Regelungen soll verhindert werden, dass die Urteilsfindung der Schöffen von äußeren Einflüssen beeinträchtigt wird. Sie müssen sich ihre Meinung alleine aufgrund der im Gerichtssaal gehörten Informationen bilden", erläutert Meurer.

Niemals sicher

Dass es in dieser Hinsicht aber niemals eine 100-prozentige Sicherheit der Unbefangenheit geben könne, sei allen Beteiligten klar. "In der Praxis ist dies natürlich nur sehr schwer kontrollierbar. Insbesondere bei wichtigen großen Verhandlungen, zu denen die Medien sehr ausführlich und umfangreich berichten, ist die Beeinflussung nur bis zu einem gewissen Grad steuerbar", meint der Strafrechtsexperte. Ihm sei aber persönlich noch kein Fall in Deutschland untergekommen, wo ein Schöffe aufgrund eigener Internetrecherchen aus einem Gerichtsverfahren ausgeschlossen werden musste. "In den USA werden Jury-Mitglieder während der Prozessdauer generell sehr streng von der Außenwelt abgeschirmt. Das Smartphone-Problem ließe sich vermutlich aber dadurch lösen, dass man spezielle Störsender einsetzt, die den Geschworenen eine Verbindung zum Internet unmöglich machen", schlägt Meurer vor.

Fassungslos

"Wir waren völlig fassungslos. Dies ist das erste Mal, dass uns der technologische Fortschritt derart direkt trifft, und er hat uns gleich voll am Kopf erwischt", erklärt der Strafverteidiger Peter Raben gegenüber der New York Times. Aufgrund des Fehlverhaltens von Jury-Mitgliedern müsse er nun einen bereits gewonnen geglaubten Fall wieder völlig neu aufrollen. Mit der Feststellung von Prozessfehlern seien ganze acht Wochen harte Arbeit vollkommen umsonst gewesen. Um derartige Probleme in Zukunft vermeiden zu können, müssten die entsprechenden Regelungen umgehend auf den neuesten Stand gebracht werden und vor allem der zunehmenden Verbreitung von Web-fähigen Handys stärker Rechnung tragen, fordert Raben. (pte)