Washington/Wien - Es klingt absurd, aber mit 83 Jahren ist der ehemalige KZ-Wächter Josias Kumpf zu jung, um in Österreich wegen mutmaßlicher NS-Verbrechen vor Gericht gestellt zu werden. Wie in einem Teil der gestrigen Standard-Ausgabe berichtet, wurde der gebürtige Serbe überraschend aus den USA nach Österreich abgeschoben, wo er nach dem Zweiten Weltkrieg elf Jahre gelebt hatte, bevor er nach Amerika ausgewandert war. Vor vier Jahren wurde ihm wegen seiner spät bewiesenen NS-Vergangenheit die US-Staatsbürgerschaft aberkannt.

Das Justizministerium in Washington wirft Kumpf vor, im Konzentrationslager Sachsenhausen, im Zwangsarbeitslager Trawniki im von Deutschland besetzten Polen und in ähnlichen Lagern im besetzten Frankreich im Einsatz gewesen zu sein. In Trawniki soll er 1943 als Mitglied der SS-Totenkopfdivision an der Erschießung von 8000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern beteiligt gewesen sein. Er selbst hat die Vorwürfe mehrere Male zurückgewiesen.

Seit Mittwoch hält sich der 83-Jährige nun aufgrund eines Auslieferungsabkommens mit den USA in Österreich auf. Wo, wissen die Behörden nicht. Er ist mittlerweile staatenlos, eigentlich illegal im Land, kann aber auch nirgendwohin abgeschoben werden, weil derzeit kein Auslieferungsantrag eines anderen Landes vorliegt.

Das heimische Justizministerium hat sich bis zuletzt gemeinsam mit dem Simon-Wiesenthal-Zentrum darum bemüht, dass Kumpf nach Polen kommt, blitzte dort aber ab. Die Rolle Kumpfs bei den Massenmorden in Trawniki sei zu unklar, hieß es in Polen.

Eine Anklage in Österreich ist deswegen nicht möglich, weil Kumpf zum inkriminierten Zeitpunkt erst 17 Jahre alt war. "Anzuwenden ist das Gesetz von 1946. Und damals galt für Personen unter zwanzig Jahren eine Verjährungsfrist von maximal zwanzig Jahren", erklärt Katharina Swoboda vom Justizministerium auf Anfrage des Standard. Spätestens Mitte der 1960er-Jahre ist die Verjährungsfrist also abgelaufen. Wäre Kumpf zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Verbrechen älter als 20 gewesen, wären die schweren Vorwürfe nie verjährt. Eine letzte Möglichkeit, Kumpfs Nazi-Vergangenheit vor Gericht aufzurollen, könnte sich in Spanien ergeben, wo eine Gruppe spanischer KZ-Überlebender eine Klage eingebracht hat. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat in den USA die Auslieferung von vier mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechern beantragt: Iwan John Demjanjuk, Anton Tittjung, Johann Leprich und eben auch Josias Kumpf.
Demjanjuk und Aribert Heim

Den 88-jährigen Iwan Demjanjuk will auch Deutschland vor Gericht stellen. Dem Ex-Aufseher im Vernichtungslager Sobibor wird die Beteiligung an der Ermordung von 29.000 Juden vorgeworfen. Der gebürtige Ukrainer war 1952 in die USA ausgewandert, auch ihm wurde die US-Staatsbürgerschaft inzwischen wieder aberkannt.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum führt Demjanjuk auf der Liste auf der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher immer noch hinter dem KZ-Arzt Aribert Heim als Nummer zwei. Dass Heim 1992 in Ägypten an Krebs gestorben sein soll, halten die Nazijäger für nicht erwiesen. Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, hat beim Generalstaatsanwalt in Berlin Anzeige erstattet, um das Rätsel um den gebürtigen Steirer Aribert Heim ein für alle Mal zu lösen. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 21./22. März 2009)