Warum sind die Norweger nicht in der EU? Warum die Schweizer auch nicht? Dieser Tage konnte man in der "Kulturhauptstadt Linz" bei einem Symposium ("Extra Europa") aus berufenem Mund hören. "Wir Schweizer halten uns für einen Sonderfall", sagte eine Schweizer Journalistin, und eine norwegische Kollegin ergänzte: "Die Norweger sind Individualisten und Gleichheitsfanatiker. Die EU ist für viele einfach ein Klub der Reichen".

Hinzuzufügen wäre, dass Norwegen auf riesigen Öl- und Gasvorkommen sitzt und daher meint, sich das Draußenbleiben leisten zu können ("Wir haben alle EU-Regeln übernommen, aber wir können nicht mitentscheiden", sagte die Vertreterin von Norwegens größter Zeitung). In der Schweiz ist es ähnlich. Die ökonomische Stärke (die allerdings deutlich bröckelt, sogar oder vor allem im Bankensektor) schien den Beitritt nicht notwendig zu machen.

Mal sehen, wie das in etlichen Jahren aussieht (etwa wenn die norwegischen Bodenschätze zu Ende gehen). Umgekehrt kann man sagen, dass die Zukunft der EU in hohem Maße davon abhängt, wie sie mit der Krise fertig wird. Teil eins war die Bankenkrise, wo gegen Ende 2008 ein dominoartiger Zusammenbruch von Banken quer durch Westeuropa eine reale Möglichkeit war. Die EU bestand diese erste Bewährungsprobe, indem eine gemeinsame Erklärung zustandekam, notfalls die Banken zu stützen. Das genügte, um eine Katastrophe abzuwenden. Es folgte eine Reihe von nationalen Bankenhilfsprogrammen, aber die Erklärung, notfalls gemeinsam zu handeln, gab den Ausschlag.

Teil zwei ist die Banken- und Budgetkrise in Osteuropa, die Österreich besonders betrifft. Hier gab es nach anfänglicher schroffer Ablehnung durch die Deutschen ebenfalls Beschlüsse, Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn auch indirekt über IMF und Weltbank.

Nun aber folgt Teil drei, das größte Problem von allen. Die Produktion bricht ein wie nie zuvor, teilweise verlieren Firmen 70 Prozent ihrer Aufträge, Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen werden befürchtet. Es geht um die Realwirtschaft. Es handelt sich um eine Krise, die im Gegensatz zu den 30er-Jahren den ganzen Globus erfasst. Von der EU wird gemeinsames Handeln erwartet, weil jeder instinktiv spürt, dass die Krise die Kraft einzelner Staaten überfordert. Die Regierung Obama erwartet, dass die EU so wie die USA die Notenpresse anwirft, um ein Konjunkturprogramm ohnegleichen zu finanzieren. Das wollen die Europäer nicht, weil sie die Erinnerung an die Hyperinflation der 20er-Jahre haben.

Zudem hat Europa einen ausgebauten Sozialstaat, die USA nicht. Die Aktion der US-Notenbank läuft auf eine Entwertung des Dollars hinaus, also auch auf eine Entwertung der riesigen Schulden, die die USA bei China, bei anderen Asiaten und den Arabern haben. Daher bescheiden sich die Europäer mit den bisherigen, auch nicht schwachen Konjunkturprogrammen, um ihre Budgets nicht außer Kontrolle geraten zu lassen und weiter kreditfähig zu bleiben. Wie auch immer, wenn Europa das vergeigt, dann hat die EU keine große Zukunft. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.3.2009)