Renitenz als Anfang eines Sinneswandels: Szene aus "Rimini".

Foto: Diagonale

Graz - Unbehagen liegt wie kalter Schweiß im Raum. Alex (Andreas Winter) wird für seine Leistung im Unternehmen ein Preis überreicht. Die Laudatio eines Kollegen verfolgt er mit ausdrucksloser Miene. Abschließend applaudieren die Kollegen unbestimmt. Aber der gefeierte Mitarbeiter verweigert sich: Er geht, ohne sich zu bedanken, und murmelt, halb zu sich selbst, halb zu den anderen: "Geht's alle scheißen!" Manchmal läuft jedes Fass über.

Mit diesem prägnanten Moment beginnt "Rimini", das Spielfilmdebüt des Filmakademie-Absolventen Peter Jaitz, eine der Entdeckungen der laufenden Diagonale. Renitenz ist hier der Anfang eines Sinneswandels. Alex möchte die Niedertracht eines uniformen Alltags überwinden, weiß aber eigentlich überhaupt nicht, was an seine Stelle treten soll.

Parallel dazu arbeitet der Polizist Hans (Robert Reinagl) übernächtig weiter an einem Fall, obwohl er vom Dienst suspendiert wurde. Er will die Jugendlichen ausfindig machen, die "Happy Slapping" praktizieren: Tätliche Übergriffe werden gefilmt und auf Youtube gestellt.

"Rimini" ist ein Film über Männlichkeitskrisen. Den einmontierten Handyvideos, in denen jede Tat zur Sensation gerinnt, setzt Peter Jaitz einen konkreten Lebenszusammenhang entgegen. Er bekennt sich also zum Erzählen, auch zur Schwierigkeit, zeitgenössische Figuren dingfest zu machen. Ihrer Desorientierung vermag er eine Dringlichkeit zu verleihen, ohne sie gleich zum Symptom zu erhöhen. Lakonisch und originell, mit einer Komik, die sich meist organisch aus Situationen entwickelt, fängt er die Irritationen ein, die auf den Verlust der eigenen Integrität folgen.

Eine andere Diagonale-Premiere, Michael Glawoggers neue Komödie "Contact High", verzichtet freiwillig auf jeden Realitätsbezug. Der direkte Nachfolger der Porno-Groteske "Nacktschnecken" füttert seine Figuren mit Haschkeks und macht sie zum Treibgut einer Kifferkomödie, die sich ein wenig zu wortwörtlich nimmt. Ein unbedarftes Duo (Michael Ostrowski und Raimund Wallisch) wird auf eine Mission nach Polen geschickt, um einen ominösen Koffer zu bergen; ein nicht minder unbedarftes Duo (Georg Friedrich und Detlev Buck) ist ihnen dabei auf den Fersen. Inhalt ist Nebensache.

"Contact High" ist eine Komödie, die den Rauschzustand sucht, auch in der Form. Von Minute zu Minute rasender verzetteln sich hier alle in einem Plot, in dem sich dauernd viel tut, aber wenig passiert. Damit nicht genug, setzt Glawogger auch halluzinatorische Effekte wie schrumpfende Hotelzimmer, Hunds- und Schweinsköpfe ein: ein Film als Deliriumszustand, der in seiner Selbstbezüglichkeit vielleicht ein wenig zu ostentativ den eigenen Überschmäh abfeiert.

Eine der schönen Wechselwirkungen eines Festivals: Mara Mattuschka, auf der Diagonale mit einer Retrospektive gewürdigt, steuerte für "Contact High" Animationsfilme bei.

Ihre neueste Arbeit "Burning Palace", in Koregie mit Chris Haring gefertigt, war eine der betörendsten Arbeiten im Experimentalfilmsektor. Eine Reihe von Figuren wird in einem Hotel aus dem Schlaf geholt, und im Dämmerzustand entspinnt sich ein Spiel der Körper, das zwischen Entäußerung, Verführung und Isolation wechselt - und dabei auch nicht auf die Komik vergisst. Was sich hier alles räkelt, an Wänden entlangkriecht oder an Scheiben entlangschleimt, erweitert das Feld des Sicht- und Hörbaren auf ganz eigenständige Weise. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.03.2009)