Der faule Willi aus der Biene Maja macht es uns vor: Weniger ist weniger ist mehr. Probieren auch wir es einmal ein bisschen mit Gemütlichkeit.

Foto: ORF

Faul sein bedeutet, Energie, Nerven und Geld sparen.

Wien – Wenn es keine Arbeit mehr gibt oder diese knapp wird, bekommt der Mensch die Krise. Arbeit wird übrigens erst seit dem Zeitalter der industriellen Revolution als Segen für die Menschheit geradezu hymnisch gefeiert. Dies hatte dann ja auch zur Folge, dass wir uns als Mitglieder einer "Leistungsgesellschaft" über diffuse Begriffe wie Fleiß, Innovation, Dynamisierung, Flexibilität, Risikokapital, indexangepasste Er- und Ablebensversicherungen und ähnlichen Blödsinn definieren. Allerdings wird der Menschheit höchstes Gut gleich nach Zuverlässigkeit, Treue, Höflichkeit, Ehrlichkeit und natürlich Gesundheit zunehmend knapp. Wie wir es vielleicht gerade am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Wenn also das Bruttosozialprodukt weder persönlich noch gesellschaftlich kaum oder auf lange Sicht nie wieder während unseres Erwerbsleben gesteigert werden kann, ist ein klein wenig antizyklisches Tun und vor allem Lassen gefragt. Leute, wer faul ist, nimmt anderen keinen Arbeitsplatz weg! Und wer keinen Arbeitsplatz mehr hat, dem gibt Mutter Natur reichlich biologistisches Unterfutter für das Nichtstun, den Müßiggang, die Faulheit.

Wenn man den philosophischen und speziell ideologischen Überbau einmal weglässt: Faulheit ist eine Überlebenstaktik. Wenn die Nährstoffe knapp werden, ist das Haushalten mit den eigenen Kräften sinnvoll. Energiesparen ist kein neuer Geschäftszweig der Glühbirne. Energiesparen ist von jeher die Freizeitbeschäftigung der Fauna. Mach dein Hobby zum Beruf! Die Bewegungen werden langsamer, die Verdauung setzt die Flagge auf Halbmast. Der gesamte Stoffwechsel läuft in Zeitlupe, die Körpertemperatur sinkt. Kein Stress, easy, endlich Ruhe. Tolle Sache.

Jetzt können wir wieder auf unsere "Krisengeneration" rückschließen: Eines setzt Faulheit in der Natur und bei uns allerdings voraus. Der Feind schläft nicht. Wer faul ist, bewegt sich zwar weniger und wird deshalb nur schlecht gesehen. Man benötigt trotzdem eine gute Tarnung. Befindet man sich plötzlich in Lebensgefahr, kommt man dank seines heruntergedimmten Kreislaufs nur schlecht durch Flucht aus der Gefahrenzone. Schon hat man den Schmarotzerstempel ausgefasst.

Gibt es Positives an der gegenwärtigen Krise? Noch im 19. Jahrhundert galt es in der Aristokratie als Schande, zugeben zu müssen, dass man einer Arbeit nachging, Arbeit zum Gelderwerb wurde ganz im Sinne Friedrich Schillers, der von Arbeitern als "Schlachtopfern des Fleißes" sprach, misstrauisch beäugt. Und auch Friedrich Engels sprach über Lohnarbeit und die geknechteten wie fleißigen Erwerbsbienen von Menschen (im konkreten Fall den Amerikanern), die "nicht genießen können". Stichwort: Entfremdung.

Womit wir endlich bei Kunst und Philosophie angelangt wären. Der faule Willi in der Biene Maja sang ebenso ein Loblied des Müßiggangs, wie sich Gottfried Ephraim Lessing für das "Lob der Faulheit" immerhin zwei ganze Strophen abrang. Auch Pippi Langstrumpf versuchte metrisch nicht ganz im Reinen schon die Kinder mit pädagogisch Wertlosem zu indoktrinieren: "Faul sein ist wunderschön / denn die Arbeit hat noch Zeit / wenn die Sonne scheint und die Blumen blüh'n / ist die Welt so schön und weit."

Von den Griechen und alten Römern (Krieg und Müßiggang! Arbeit ist für Sklaven!) über das "Wu Wei" , das Nichthandeln der Taoisten, mit Stopp bei der Bergpredigt und den "Lilien des Feldes" bis zu Naturkulten und dem gemeinsamen Drogenwerfen und Abhängen: Jede Religion, die auf sich hält, verteidigt Faulheit als Wert und verwendet diesen als Marketing-Tool.

Es mag widersinnig erscheinen, aber: Wer Gründe sucht, um faul zu sein, der muss noch sehr viel lernen. Faulheit ist ein preisgünstiger Luxus, der die Spießer maßlos ärgert. Die Krise als Chance, Faulheit als Weg. Um mit Diogenes von Sinope zu sprechen: Und jetzt geht mir aus der Sonne! (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.03.2009)