"Darf man z. B. über die lächerliche Ernsthaftigkeit der Marktgläubigkeit lachen? Oder ist beim Thema Gläubigkeit - sei es Markt oder Gott - Lachverbot angesagt?"

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Der Standard wird sich ab Freitag schwerpunktmäßig mit dem "Positiven" an der Krise befassen - und daher zwangsläufig auch mit der Frage, wer warum in Zeiten wie diesen was zu lachen hat.

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Die Zeile "In der Krise liegen und mit der Seele baumeln" war der Titel einer Szene aus meinem Programm " A Krise muaß her!" (1978) - in Abwandlung eines Slogans der Österreich-Werbung: "In der Wiese liegen und ..."

Wolfgang Teuschl und ich schufen damals die Figur des glücklichen Arbeitslosen, eines Steirers, der in breitestem Dialekt die positiven Seiten seiner prekären Situation beschrieb und damit für Heiterkeitsausbrüche beim Publikum sorgte. Aber das war ja Kreisky-Ära, und die steirischen Kohlegruben wurden geschlossen und gleich zugeschüttet, damit niemand auf dumme Ideen kam. Aber dafür gabs Subventionen für die Musikanten der Knappenkapellen und Stützungen für Betriebsansiedlungen und Umschulungen vom Bergmann auf Spitzenklöppler und: alles eigentlich nicht so schlimm ...

Auch bei meinen Auftritten in den betroffenen Regionen gab es keine Unmutsäußerungen, weil ja Satire einiges darf, und die Situation inhaltlich korrekt dargestellt, nur halt ins Bizarre überhöht war. Man konnte lachen, ohne gleich ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. - Heute, konfrontiert mit einer Krise ganz anderen Kalibers, einer globalen Krise, (damals 1929, vor 80 Jahren, hieß das noch Weltwirtschaftskrise) stellt sich wieder die Frage: Worüber kann, darf, ja soll gelacht werden. Ein Lachsoll gewissermaßen, gibt es das?

Lachtherapie, zum Beispiel, wird heute häufig angeboten: Menschen die - aber jetzt wirklich sowas von - nichts zu lachen haben, zwingen sich, unterstützt von Therapeuten, einfach rein mechanisch loszukudern, bis sie die Skurrilität der Situation "spontan" Lachsalven auslöst.

Post risum triste?
Aber was kommt nach dem Lachanfall? Post risum triste?

"Post Coitum triste" sagt der humanistisch halbgebildete Smalltalk-Psychologe, aber wie sieht es nach so einer Lachaktion aus? Folgen dem zwerchfellerschütternden Lachorgasmus Depressionsschübe? Darf man über die lächerliche Ernsthaftigkeit der Marktgläubigen lachen? Oder ist beim Thema Gläubigkeit - sei es Markt- oder Gott- - Lachverbot angesagt?

Wenn ich die Situation Mr. Madoffs, den, nach Luxus-Hausarrest mit Fußfessel und U-Haft, 150 Jahre Gefängnis erwarten, thematisiere - 80 Milliarden Dollar verschissen, aber es finden sich immer wieder Resteln, in diversen Jackets, im Parkmünzenfach, immer wieder ein paar zig Millionen, in der Hosenstulpe, und auch im Flusensieb seiner Waschmaschine hat Conchita, die illegale Haushaltshilfe, 80 Millionen gefunden. "keep it. ... it's just peanuts"-, dann ist das ein zulässiger Lacher. Ein Lachsoll gewissermaßen. Außerdem ist ja der ein Verbrecher, das hat nichts mit dem System zu tun.

Himmel und Hölle

Die anderen, die alle frei herumlaufen, basteln schon wieder an vielversprechenden Finanzprodukten für die Zukunft, um die nächste Blase zu füllen, die dann vielleicht 2034 völlig überraschend platzen wird. Da werde ich wohl nicht mehr dabei sein, weder als Satiriker noch als Opfer.

Wenn ich auf der Bühne lebende Zäune, aus Menschen bestehend, als Beschäftigungsprogramm für Überzählige (früher hieß das: Ausgesteuerte) vorschlage, dann wird es schon etwas eng. Nur: Es ist jeden Abend der Lacher! Und das ist schön: Weil die Opfer die Größe haben, in der Niederlage über sich selbst zu lachen. Selbst die alleinerziehende "working poor" Mama mit drei Jobs und drei Kindern bringt es fertig. Und das ist nicht lustig, sondern ihre einzige Chance zu überleben, denn: Mit Humor geht alles besser! Der Fatalismus der Loser macht sie zu moralischen Winnern. Da haben sie auch ganz viel davon! Die Täter können bestenfalls zynisch sein oder weinerlich, wenn sie - selten genug - zur Verantwortung gezogen werden. Und da sind wir ja auch schon wieder beim Jenseits und Himmel und Hölle.

Ja ja, die "working poor" Mama wird nach ihrem entbehrungsreichen irdischen Dasein direkt in den Himmel für Arme kommen, während Conchita, illegal eingewandert und durch unredlich erworbenes Geld reich geworden, von tausend Kleinteufeln gepiesackt in der Hölle landen wird.

Nur die Madoffs und Meinls und Grassers und Konsorten werden nach zwei-, dreitausend Jahren Fegefeuer (ein Klacks) geläutert dort landen, wo sie immer schon wussten, dass sie hingehören: Zur rechten Hand des Herrn.

*Der Kabarettist feierte im Vorjahr sein 30-Jahr-Bühnenjubiläum, sein jüngstes Programm "Osterreich - ein Warietee" hatte vor wenigen Tagen im Wiener "Orpheum" Premiere.

*Insgesamt werden in der Wochenendausgabe - im Ernst - an die 30 Spezialisten - von Hader bis Dorfer, von Poier bis Grissemann, von Maurer bis Vitasek - zu diesem Thema Klartext reden. Dazu noch jede Menge Ökonomen, Manager, Forscher/innen, Stimmungsberichte aus dem wirklichen Leben ... u. v. m.(DER STANDARD; Print-Ausgabe, 20.3.2009)