Wien - Der Verein für Finanzmarktausgleich ortet in Österreich einen neuen Anlage-Skandal. Rund um Turbozertifikate soll es zu Marktmanipulationen gekommen sein - auf Kosten der Anleger, wie Vereinsvorstand Philipp Buchner am Donnerstag ausführte.

Bei Turbozertifikaten können Anleger von Kursanstiegen wie auch von Kursverlusten profitieren, wenn die vorher definierte "Knock-out-Schwelle" nicht erreicht wird. Bei Erreichen der Schwelle wird das Zertifikat nämlich wertlos beziehungsweise zahlt der Emittent dem Anleger nur mehr einen allfällig vorhandenen Restwert zurück.
Den möglichen Skandal in diesem System beschreibt der 2008 gegründete Verein so: Emittenten von Turbozertifikaten bzw. involvierte Wertpapierhändler würden die Knock-Out-Grenzen aktiv herbeiführen, "also aktiv Aktienkurse (Aktien sind oft der Basiswert eines Turbozertifikats, Anm.) manipulieren" , sagte Buchner. Gehandelt würde in Phasen, in denen es in einer Aktie wenig Liquidität gebe, man also mit einer bereits kleinen Anzahl an Aktien, die man kauft oder verkauft, den Kurs spürbar bewegen könne. Dieses Spiel werde vor den Augen der Finanzmarktaufsicht (FMA) gespielt, die laut Buchner "wieder einmal wegschaut" .

Noch keine Details

Welchen Emittenten man die Marktmanipulation vorwirft bzw. welche Turbozertifikate manipulativ ausgeknockt worden sein sollen, wollte Buchner freilich nicht sagen. Details dazu würden auf der Homepage www.turboskandal.at veröffentlicht, die laut Buchner gestern, Donnerstag, um zwölf Uhr hätte online gehen sollte. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe war dem nicht so.
In einer Pressemitteilung des Vereins heißt es, dass "Aktien im Zeitraum von 2007 und 2008 analysiert" wurden "und bei allen Muster gefunden" wurden, "die eindeutig auf Kursmanipulation hinweisen" . Analysiert wurden Andritz, A-Tec, Meinl European Land, AUA, Bwin, CA-Immo, Erste Bank, Intercell, Raiffeisen International, RHI, Uniqa, Verbund, VA Stahl und Wienerberger. Der Verein ruft geschädigte Anleger auf, sich zu melden, um eventuelle Musterklagen anzudenken.

"Weltverschwörungssyndrom"

In Österreich werden Turbozertifikate von der Raiffeisen Centrobank (RCB) und der Erste Group begeben. Heike Arbter von der RCB kann den Vorwürfen nichts abgewinnen: "Der Emittent profitiert ja nicht immer, wenn ein Zertifikat ausgeknockt wird." Denn in so einem Fall "muss der Emittent seine Papiere verkaufen, was auch ein Verlustgeschäft sein kann" , erklärt Arbter auf Anfrage des Standard.
Heinrich Karasek, Vorsitzender des Zertifikate-Forums-Austria, schlägt in die selbe Kerbe, hält die Anschuldigungen für "weit hergeholt" und spricht von einem "Weltverschwörungssyndrom" .
In Finanzkreisen wird ein manipulatives Vorgehen in dem ein oder anderem Fall hingegen nicht ausgeschlossen. Die FMA will sich die Vorwürfe nun genauer ansehen. "Als Behörde gehen wir jedem Hinweis auf Marktmanipulation nach" , heißt es.
Heimische Anleger haben 5,72 Mrd. Euro in Zertifikaten veranlagt, auf das Segment der Hebelprodukte (in das die Turbozertifikate gehören) entfallen 45 Mio. Euro.
Unterstützt wird der Verein unter anderem vom ehemaligen Fotohändler Christian Niedermeyer, der sich vor allem in Sachen Immofiananz engagiert. Eine erste Klage der Niedermeyer-Privatstiftung gegen Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics wurde jedoch wegen Unschlüssigkeit der Klage abgewiesen; das Verfahren geschlossen.(Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3.2009)