Das Palais Grassalkovich am Nordrand der Altstadt dürfte das derzeit begehrteste Domizil in Bratislava sein. Sieben Kandidaten wetteifern um den Schlüssel zum spätbarocken Wohnsitz des slowakischen Staatsoberhaupts. Zum dritten Mal seit der Unabhängigkeit des kleinen Landes müssen sie dafür die knapp 4,25 Millionen wahlberechtigten Slowaken überzeugen. Bis 1998 wählte das Parlament in Bratislava das Staatsoberhaupt. Ein Spaziergang durch die Stadt gleicht derzeit einem Defilee der Kandidatengesicher.

Foto: Niederndorfer

Der derzeitige Bewohner von Palais Grassalkovich, Amtsinhaber Ivan Gasparovic, gilt als Favorit für die erste Runde der Präsidentschaftswahl, die am Samstag stattfindet. Derzeit darf er laut Meinungsforschern mit 50,2 Prozent der Stimmen rechnen. Dass der 67-Jährige tatsächlich mehr als die Hälfte der Stimmen erreicht und sich somit eine Stichwahl erspart, gilt aber als ausgeschlossen. Gasparovic, dessen Vater während des Ersten Weltkriegs aus Kroatien in die Slowakei eingewandert ist, hat die Unterstützung der regierenden Koalition aus den Smer-Sozialdemokraten, der Partei des umstrittenen Ex-Premiers Vladimir Meciar und den Nationalisten von der Slowakischen Nationalpartei (SNS) Jan Slotas.

Beata Balogova, Chefredakteurin des englischsprachigen Slovak Spectator, kritisiert den langjährigen Meciar-Verbündeten im Gespräch mit derStandard.at für seine Weigerung, sich aktiv in die Politik einzumischen: "Er ist sehr passiv und will sich keinesfalls in die Politik einmischen. Darum ist er für (Premierminister, Anm.) Fico auch ein so bequemer Präsident."

Foto: Niederndorfer

"Die Slowakei ist ein modernes, gebildetes und schönes Land, also sollte ihr oberster Repräsentant genauso sein", findet Zuzana Martinakova, Kandidatin der Splitterpartei Freies Forum. Die frühere BBC-Korrespondentin spielt damit nicht zuletzt auf Amtsinhaber Gasparovic an, dem mangelnde Englischkenntnisse nachgesagt werden.

Mit 47 Jahren ist Martinakova die Jüngste der sieben Kandidaten und war lange Jahre Mitglied der Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union von Ex-Premier Mikulas Dzurinda. Nach einem Zerwürfnis mit ihm gründete Martinakova 2004 das liberale Freie Forum, das es aber nicht ins Parlament schaffte. Ihre Kandidatur stand lange unter keinem guten Stern. Dass ihr Ehemann bis vor kurzem im Büro von Präsident Gasparovic arbeitete, wurde von slowakischen Medien gerne thematisiert.

Foto: Niederndorfer

Mit der 52-jährigen Soziologieprofessorin Iveta Radicova hat erstmals eine Frau eine realistische Chance, Staatsoberhaupt der Slowakei zu werden. Sie wird von allen wichtigen Mitte-Rechts-Oppositionsparteien unterstützt, gilt allerdings in Kirchenkreisen als zu liberal. Bischof Rudolf Balaz aus Banska Bystrica rief die Besucher seiner Predigt Anfang März dazu auf, nicht für Radicova zu stimmen. Neben ihrer Position hinsichtlich Abtreibung wird ihr auch zum Vorwurf gemacht, nach dem Tod ihres Ehemannes ohne Heirat mit einem Mann zusammenzuleben.

Während ihrer Amtszeit als Sozialministerin unter dem rechtsliberalen Premier Dzurinda galt Iveta Radicova als kompetent und bleibt frei von Skandalen. Meinungsumfragen bescheinigen ihr gute Chancen, in die Stichwahl gegen Ivan Gasparovic einzuziehen. Sie wird auch von der Partei der ungarischen Minderheit unterstützt und ließ zum Unmut des Nationalistenführers Jan Slota im Süden der Slowakei ungarischsprachige Wahlwerbung plakatieren.

Foto: Niederndorfer

Der slowakische Präsident ist im Vergleich etwa mit seinem österreichischen Konterpart mit wenig Macht ausgestattet. Für Journalistin Beata Balogova eine Folge der Verfassung, die seit der Änderung des Wahlmodus nicht an eine Volkswahl angepasst wurde. Der Präsident hat die Befugnisse, internationale Verträge zu verhandeln und zu ratifizieren, er beruft Botschafter, unterschreibt Gesetze, die ihm vom Parlament zugespielt werden - oder schickt sie zur Überarbeitung zurück. Weiters ernennt er den Premierminister und die Kabinettsmitglieder und ist de iure Oberbefehlshaber der Armee - wobei er im Kriegsfall von diesem Recht laut Verfassung entbunden wird. Fast 10 Millionen Euro stehen dem Innenministerium zur Abhaltung der Wahl zur Verfügung.

Im Bild: Milan Melnik, Kandidat der Meciar-Partei Bewegung für eine Demokratische Slowakei.

Foto: Niederndorfer

Ex-Dissident Frantisek Miklosko, Kandidat der Konservativen Demokraten (KDS), hat unlängst aufhorchen lassen, indem er eine Entschuldigung der katholischen Bischöfe für das Unrecht während des faschistischen Tiso-Regimes 1939 bis 1945 forderte. Der frühere Parlamentspräsident, 61, war an der Bürgerrechtsbewegung "Öffentlichkeit gegen Gewalt" beteiligt, die den friedlichen Umsturz 1989 mitinitialisierte.

Daneben treten noch die Kommunisten Milan Sidor von der KSS und die ehemalige KSS-Parlamentarierin Dagmara Bollova zur Wahl an, echte Chancen werden ihnen aber nicht vorhergesagt. (flon/ derStandard.at, 19.3.2009)

Foto: Niederndorfer