"Bevor der Tod uns scheidet: Frauen, die sich von Gewalt in der Familie befreit haben"

191 Seiten, Ueberreuter Verlag,
ISBN: 3-8000-7412-5, EUR 19,95 EUR

Warum bleiben Frauen jahrelang bei ihren gewalttätigen Partnern? Wie geraten Frauen überhaupt in solche Beziehungen und wie kann das Leben danach bewältigt werden?
In Martina Madners Buch "Bevor der Tod uns scheidet. Frauen, die sich von Gewalt in der Familie befreit haben" erzählen drei Frauen sehr ehrlich von ihren Erfahrungen mit Gewalt innerhalb familiärer Strukturen, ihren jahrelangen Versuchen, auszubrechen und dem langen Weg, sich von diesen Beziehungen - zumindest halbwegs - zu lösen.

Die Gespräche führte Martina Madner, die mit ihrem Buch über die verbreiteten Einschränkungen von Berichten über Gewalt an Frauen hinausgehen wollte. Diese fassen oftmals, so Madner, nur die eigentlichen Gewalttaten des Täters und die Leiden des Opfers. Die Erzählungen der Frauen, die im Buch größtenteils selbst das Wort haben, setzen aber viel früher ein, lange bevor die erste Gewalttat passierte und sie erzählen auch von dem Leben nach den Scheidungen. Madner und die erzählenden Frauen legen somit auch einen Fokus auf das davor und danach, auf die Integration von Gewalt in das Alltagsleben, auf die Suche oder auch längere "Verweigerung" (oftmals aufgrund von massiven Drohungen) eines möglichen Ausweges und auf weitere Konflikte, die die Situationen zusätzlich verschärften können.

Verschärfende Umstände haben auch die Handlungsspielräume von Melina Jagodic (die Namen der Frauen wurden im Buch geändert) eingeschränkt. Sie zog mit ihrem Mann in ein ihr fremdes ländliches Umfeld, in dem sie selbst und ihr Mann keinerlei soziale Anbindungen fanden. Zwei Kinder, die Arbeit im Haushalt, keine Freundschaften und ein kollektives Einverständnis darüber, Frauen wären allein für Kind und Kegel verantwortlich erschwerten die Lage zusätzlich, die sich im Nachhinein schon mit einer Kopfnuss von ihrem Ex-Mann in den ersten Wochen der Verliebtheit ankündigte. Dass erste Anzeichen erst im Nachhinein als solche erkannt werden, ist eine Gemeinsamkeit von Gewalt innerhalb des "Privatbereichs" Familie. Alles andere als einheitlich ist hingegen, wer davon betroffen ist, so die Politikwissenschafterin und Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, Maria Rösslhumer, in ihrem Beitrag in "Bevor der Tod uns scheidet".

Alles andere als patriarchale Strukturen

So war beispielsweise Melina Jagodic vor ihrer Hochzeit eine weltgewandte Studentin, die in ihrem familiären Umfeld alles andere als patriarchale Strukturen erlebte. Dennoch fand sie sich in einer Ehe mit einem Mann wieder, der "die Familie nur als Kulisse brauchte", denn diese „gehörte zu seinem patriarchalen Weltbild einfach dazu", so Jagodic. Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zwischen den drei gewalttätigen Ehemännern der Frauen, die Rösslhumer folgendermaßen beschreibt: "Alle drei Ehemänner waren der festen Überzeugung, dass Frauen allein für die Erziehung der Kinder und für den gemeinsamen Haushalt zuständig sind und Männern zu gehorchen und zu dienen haben. Finanzielle Unabhängigkeit und Berufstätigkeit der Frauen wurden grundsätzlich abgelehnt bzw. nur geduldet."

Rasende Eifersucht ist ein häufiger Vorwand für Gewalt gegen Frauen, ein Vorwand, den sich Erna Berthold etliche Male anhören musste. Sie ist ihrem Mann von der Slowakei nach Österreich gefolgt. Als sich ihr Ex-Mann wieder einmal für seine Gewaltausbrüche entschuldigte, entgegnete Berthold, dass er sich nicht entschuldigen müsse - nur nicht mehr zuschlagen. "Dadurch hat er sich in die Enge getrieben gefühlt", so Berthold. Ihr Ex-Mann wusste wohl schon, dass er diesen Wunsch seiner Frau nicht erfüllen würde.
Bei Erna Berthold kam es schließlich zu einer Wegweisung, die jedoch für ihre Sicherheit nicht garantieren konnte. Kurz nach der Wegweisung stand der Gatte wieder vor der Tür, wütend und mit Morddrohungen um sich werfend. Die Geschichte von Erna Berthold zeigt, dass eine Wegweisung nicht ausreichend Schutz vor einem völlig außer Kontrolle geratenen Menschen geben kann. Martina Madner unterbricht in ihrem Buch die Erzählungen der Frauen mit Einschüben über die gesetzliche Lage oder allgemeinem Hintergrundwissen. Bei der kläglich gescheiterten Wegweisung, die keine Viertelstunde eingehalten wurde, bringt die Autorin Fakten zum neuen Gewaltschutzpaket ein, das Mitte 2009 in Kraft treten wird. So werden mit dem neuen Gewaltschutzpaket beispielsweise bei jeder Wegweisung Gewaltschutzzentren oder Interventionszentren informiert, die den Betroffenen Hilfe anbieten.

Fünf Messerstiche

Aber auch wenn es eine Frau bis zu einer Scheidung schafft, kann trotzdem noch einiges schief gehen. Erna Berthold wurde Monate nach ihrer Scheidung von ihrem Ex-Mann mit einem Messer überfallen, sie erlitt fünf Messerstiche und musste sich in einem polizeilichen Verhör erklären lassen, was sie ihrem Ex-Mann durch ihre "Behauptung", er wollte sie töten, antun würde. Dieses Verhalten der Polizei liegt zwar zwanzig Jahre zurück, dennoch sind Vorkommnisse wie diese nach wie vor ein Grund für Frauen, keine Unterstützung von außen zu suchen. Madner betont allerdings, dass sich in den letzten zwanzig Jahren viel getan und das "Bewusstsein und Verhalten vieler PolizistInnen geändert" hat.

Die Geschichten von Erna Berthold, Melina Jagodic und Vera Kaufmann geben einen Eindruck über Parallelen in den Geschichten der Frauen, die nicht durch Schicht, Herkunft oder Ausbildung begünstigt oder verhindert werden konnten. Besonders anschaulich werden auch die umständlichen und langwierigen Hürden, die mit einer Trennung verbunden sind, auch wenn es die von einem schlagenden Partner ist: Mal geht es um die Einklagung von Alimenten, mal müssen die Parteien wegen Obsorgeverhandlungen ständig bei Gericht erscheinen. Wie wenig "privat" Gewalt innerhalb familiärer Strukturen ist, zeigt sich wohl am stärksten in den Phasen, in denen sich Frauen aus solchen Situationen befreit haben: Justiz, Polizei, Jugendämter und vor allem Einrichtungen wie die autonomen Frauenhäuser spielen dann eine große Rolle. Zuvor werden aber Gewalttaten gegen Frauen innerhalb der Familie noch oft von den Betroffenen selbst, aber auch von ihrem Umfeld als Privatsache angesehen, schreibt Martina Madner, die mit ihrem Buch einen Beitrag gegen diese noch immer verbreitete Auffassung vorlegt. (beaha, dieStandard.at, 18.3.2009)