Wien - IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer sieht die Gefahr einer Null-Lohnrunde nur für den öffentlichen Dienst. Die Masse der unselbstständig Erwerbstätigkeiten kann eine niedrige Lohnsteigerung von einem halben Prozent oder etwas mehr von den KV-Abschlüssen im kommenden Herbst erwarten. Dies bedeute natürlich Reallohnverluste für 2010, meinte der IHS-Experte am Mittwoch.

Die Gefahr, dass bereits fixierte Lohnabschlüsse mittels "Not-KV" wieder neu aufgerollt werden, sieht Hofer nicht. Die Kurzarbeit, in der schon 40.000 Menschen stehen, stelle bereits einen Lohnverzicht der Beschäftigten dar, und außerdem würden hier auch die Unternehmen draufzahlen. Im übrigen würden niedrige Lohnanstiege, als positiver Nebeneffekt, die Beschäftigung erhöhen bzw. die Arbeitslosigkeit langsamer wachsen lassen. Daher halte er es noch nicht für ausgemacht, ob die Arbeitslosenzahl heuer und 2010 wirklich um 100.000 klettern wird. "Ich bin da optimistischer, aber 80.000 mehr sind durchaus drinnen - vorausgesetzt die Kurzarbeit funktioniert."

Rein rechnerisch könnte allen Beschäftigten eine Null-Lohnrunde drohen - und nicht nur den Beamten, die unter dem Druck knapper öffentlicher Kassen stünden und zuletzt mit 3,55 Prozent ohnedies einen guten Abschluss gehabt hätten, so der Experte vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien. Bei 2 Prozent BIP-Minus 2009, wie von der Bank Austria prognostiziert, und 1 Prozent Beschäftigungsrückgang und 1 Prozent Anstieg der Produzentenpreise würde "rein rechnerisch eine Null" herauskommen.

Unter Inflationsrate

"Ich glaube aber, es wird - trotz des sehr, sehr schlechten wirtschaftlichen Umfelds - doch etwas hinter dem Komma geben", vermutet Hofer: "Die Lohnabschlüsse könnten etwas unter der Inflationsrate von rund einem Prozent in diesem Jahr ausfallen, falls es nicht einen mächtigen Einbruch gibt." Die Gewerkschaften könnten argumentieren, die Lohnquote sei in den vergangenen zehn Jahren auch in Österreich gefallen, daher könnte sie nun etwas steigen. Mit bestimmten Erfolgsprämien, etwa bei den Metallern, werde aber Schluss sein. Unterm Strich bliebe dann für alle ein Reallohnverlust, unterstelle man 1,5 Prozent Inflation für 2010. "Wenn die weltweite Nachfrage so schlecht bleibt, lässt sich das nicht vermeiden."

Dass die sehr bescheidenen Bruttolohnerhöhungen knapp über der Null-Linie die stotternde private Konsumnachfrage weiter dämpfen, glaubt der IHS-Experte nicht. Da Lohnerhöhungen zu etwas stärkeren Beschäftigungszuwächsen führen, ziehe das Kaufkraft-Argument bezogen auf die Gesamtheit der unselbstständig Erwerbstätigen nicht. Außerdem bringe auch die Steuerreform den Menschen Nettozuwächse.

Zur Kaufkraftstärkung könnte man die Sozialversicherungs-Beiträge etwas reduzieren, vor allem im Niedriglohnbereich - doch spreche hier die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte derzeit dagegen. Von Ideen, beim Arbeitslosengeld die Nettoersatzrate zu erhöhen - auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SP) beabsichtigt eine Anhebung des Arbeitslosengeldes -, hält Hofer "nichts": "Dies wären schlechte Incentives und würden die Arbeitslosigkeit erhöhen."

Schwierige Arbeitsmarktlage

Die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt sei derzeit besonders schwierig zu prognostizieren. "Wenn der von der Bank Austria zuletzt vermutete Rückgang des heimischen BIP um 2,2 Prozent in diesem Jahr stimmt, dann ist das der stärkste Einbruch, den wir in den vergangenen 30 Jahren gehabt haben. Bricht die Wirtschaft wirklich so stark ein, wird das deutliche Auswirkungen auf die Beschäftigung haben." IHS und Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) legen am Freitag, dem 27. März, ihre neuen Konjunkturprognosen vor.

Wichtig seien selbst in Krisenzeiten Weiterbildungsmaßnahmen, neben jungen Menschen auch für ältere Arbeitslose. Nötig wären Stiftungen und auch Umschulungsprogramme - nicht um Industriearbeiter aus diesem Sektor wegzubringen, sondern um sie weiter zu schulen: "Facharbeiter sind durchaus gesucht, jetzt und auch nächstes Jahr." (APA)