Tag 2 des Prozesses gegen Josef F. am Landesgericht St. Pölten

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf

St. Pölten - Dienstagfrüh wieder der gleiche Auftritt: Josef F. betritt, sein Gesicht hinterm blauen Ordner verbarrikadiert, den Schwurgerichtssaal von St. Pölten - die Fragen des ORF-Teams prallen erneut unbeantwortet am Karton ab. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Im Ordner bewahrt der Angeklagte offenbar Rechnungen auf, ein Betrag von über 80.000 Euro kann erspäht werden.

Dann wird die auf Video aufgezeichnete Aussage seiner Tochter auf den Flachbildschirmen in einzelnen Kapiteln weiter abgespielt. Jene Aufnahme, in der sie die 24 Jahre Gefangenschaft im Keller ihres Vaters in Amstetten schildert. Die Aufzeichnung werde vor allem deshalb in Teilen gezeigt, "da der Angeklagte zu jedem Faktum einzeln Stellung nimmt", wie Franz Cutka, Vizepräsident des Landesgerichtes den vor dem Gebäude wartenden Journalisten erläutert.

Interaktion nicht möglich

Eine Interaktion des Gerichtes ist allerdings nicht möglich, der Zeugin können keine direkten Fragen gestellt werden. "Sollten tatsächlich noch relevante Fragen auftauchen, müsste die Zeugin noch einmal gesondert einvernommen werden", bestätigt Cutka auf Anfrage des Standard. Dies würde die Dauer des Prozesses doch deutlich verzögern. Wahrscheinlich sei dies allerdings nicht. Vor allem, da nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch Untersuchungshaft-Richter, Verteidigung und die Opferanwälte bei der Befragung anwesend waren.

Die Videoaufzeichnung vor dem Hauptverfahren sei durch die österreichischen Gesetze vollkommen gedeckt, erläutert Professor Frank Höpfel vom Institut für Strafrecht an der Universität Wien im STANDARD-Gespräch. Anders als in Deutschland "gilt eine derartige kontradiktorische Einvernahme nach österreichischem Recht als vorverlagerte Hauptverhandlung und ist als Beweis voll verwendbar".

Für den Vortrag dreier Gutachten wird das Verfahren heute, Mittwoch, wieder öffentlich fortgesetzt. Zunächst wird das psychiatrische Gutachten über Josef F. erläutert, wie Cutka ankündigte. Dann werden ein elektromechanisches- und ein mechanisches Gutachten über die Installationen im Kellerverlies verlesen. Ein neonatologisches Gutachten zur Frage, ob der im Keller geborene und verstorbene Säugling bei medizinischer Versorgung überlebensfähig gewesen wäre, wurde schon am Dienstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit erläutert. Vor allem letzteres Gutachten könnte für das Urteil mitentscheidend sein - und ist gleichzeitig ein Grenzgang: Denn die Beurteilung über den Gesundheitszustand vom verstorbenen Enkel-Kind von Josef F. beruht einzig und allein auf der Aussage seiner Mutter. Den Leichnam hatte F. verbrannt. Gleichzeitig ist das Gutachten eine wichtige Grundlage für die Beantwortung der Frage, ob es sich um Mord durch Unterlassung handelte oder nicht.

"Wenn Fliegen fliegen"

Die am Dienstag ausgeschlossenen Journalisten verbrachten den Tag indes vor allem damit, sich wechselseitig zu befragen. Wie Österreich den Prozess erlebe, was man vom Ausschluss der Öffentlichkeit halte - "wenn Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach", meint einer der Anwesenden.

Dann ein kurzer Aufreger: Warum nur ORF und APA vor Prozess im Gerichtsgebäude anwesend sein durften - die Aufnahmen mussten allerdings allen Medien zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug zu Mittag: Der APA gelang ein Bild vom Angeklagten am Gang ohne Mappe vor dem Gesicht - und da war wiederum der ORF gerade nicht anwesend.

Gegen 16 Uhr wieder die Pressemitteilung von Vizepräsident Cutka, wo er mit der Ankündigung, dass der Prozess am Donnerstag voraussichtlich zu Ende gehen werde, aufhorchen ließ. Auch bestätigte Justiz-Anstalts-Leiter Erich Huber-Günsthofer, dass Josef F. in den Pausen psychiatrisch betreut werde, "aus Gründen der Suizidprävention". Vom Inhalt der bisherigen Verhandlung durfte allerdings wieder nichts gesagt werden. Sogar die britischen Kamerateams, die des Deutschen nicht mächtig sind, haben inzwischen eines gelernt - nach jeder Frage antworteten sie selbst schon leicht verzweifelt: "Ick darf nickt sagen." (Roman David-Freihsl/DER STANDARD-Printausgabe, 18.3.2009)