"Woran denkst Du gerade?" will Facebook wissen. Das von 175 Millionen Menschen genutzte Kommunikationsportal, vor fünf Jahren zur Vernetzung der akademischen Community in den USA gegründet, hat sich ein neues Gesicht gegeben. Im Wettbewerb der "Social Networks" werden damit neue Akzente gesetzt.

"Schreib drauf los!"

Die Neugestaltung der bisherigen Statuszeile ist die auffälligste Neuerung, weil sie ganz oben auf der Startseite steht. Der Frage nach den Gedanken folgte am Montag die Aufforderung: "Schreib drauf los!" Neu ist auch das Tempo, mit der diese Statuszeile jetzt auf den Seiten aller anderen Facebook-Mitglieder im virtuellen Freundeskreis auftaucht. Bisher dauerte es meist zehn bis 15 Minuten, bis die Statuszeile bei den anderen sichtbar wurde. Jetzt handelt es sich um den "Echtzeit-Nachrichtenfluss deiner Freunde und Bekannten", wie Facebook zu den Neuerungen erklärt.

Firmengründer Mark Zuckerberg schrieb dazu im Firmenblog: "Da immer mehr Informationen durch Facebook fließen, ist das Bedürfnis der Leute gewachsen, die neuesten und wichtigsten Inhalte auf einfache Weise zu finden." Viele sehen darin eine Übernahme der Twitter-Idee - bei twitter.com erscheinen die Mitteilungen mit einer Länge von maximal 140 Zeilen ebenfalls sofort im Internet.

Twitter-Infos

Ein großer Unterschied aber bleibt: Während der Strom von manchmal interessanten, oft aber belanglosen Twitter-Infos weltweit für alle sichtbar ist, sind die Facebook-Mitteilungen nur innerhalb der eigenen Community sichtbar - also unter den "Followern", wie die "Freunde" bei Twitter genannt werden.

Diese lassen sich bei Facebook jetzt filtern: Da mag sich jemand mit seinen Gedanken noch so sehr Mühe geben - wenn er von seinen "Freunden" ausgefiltert wurde, tauchen die Mitteilungen nicht mehr auf deren Startseite auf. Außerdem kann man mehrere Listen mit Freunden anlegen und dann schnell zu den Mitteilungen der unterschiedlichen Gruppen springen.

Entwicklungen

Facebook trägt damit der Entwicklung Rechnung, dass viele Nutzer Kontakte zu mehreren hundert Personen haben. Diese Sammlung muss nicht unbedingt ein Zeichen fürs Kommunikationstalent sein. Unter den Facebook-Gruppen finden sich etliche, in denen sich Mitglieder nur aus dem einzigen Grund eintragen lassen, andere zur Kontaktaufnahme zu bewegen.

Myspace

Eine weitere Neuerung richtet sich eher gegen Marktführer MySpace. Dieses Netzwerk hat mit mehr als 260 Millionen Mitgliedern noch die Nase vorn, wird aber Marktforschern zufolge inzwischen weniger intensiv genutzt als Facebook. MySpace hat seinen Schwerpunkt bei Popmusik-Fans. Und hier legt Facebook jetzt nach. Die Fan-Seiten wurden neu gestaltet und präsentieren sich jetzt auf die gleiche Weise wie die Profilseiten der Mitglieder mit ihrem Schwarzen Brett, auf dem in der Regel jeder eine Nachricht hinterlassen kann. Die Bandbreite dieser Promi-Seiten kennt kaum Grenzen. Neben US-Präsident Barack Obama mit mehr als 5,9 Millionen bekennenden Anhängern oder Stars wie dem Schwimmer Michael Phelps mit mehr als zwei Millionen Fans finden sich hier auch Unternehmen und Marken. In diese Richtung geht denn auch die Entwicklung des Geschäftsmodells von Facebook, das in der Online-Werbung bisher in keiner Weise den Anschluss zu Marktführer Google finden konnte.

Marketing-Expertin Debra Aho Williamson von der Firma eMarketer erklärt, dass Facebook "sehr aggressiv versucht, die Möglichkeiten der Werbeindustrie neu zu überdenken und zu überlegen, welche Möglichkeiten es für die Interaktion mit Kunden gibt". Bisher aber bleibe der geschäftliche Erfolg noch hinter den Erwartungen zurück.

Verbreitung

Die Nutzung von Social Networks hat schon jetzt die bisherigen Gepflogenheiten in der elektronischen Kommunikation verschoben. Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts Nielsen haben im vergangenen Jahr 67 Prozent der weltweiten Internet-Nutzer eine Social-Network-Site genutzt, während nur 65,1 Prozent das Internet für den E-Mail-Austausch verwendet haben.

Die Social Networks, darunter auch deutschsprachige Anbieter wie StudiVZ, Wer-kennt-wen oder die Lokalisten, beeinflussen auch die Entwicklung der Blogs. Wenn diese in Profilseiten eingebunden werden, erhalten sie zunächst eine größere Verbreitung. Statistische Auswertungen, etwa über den Dienst blogoscoop.net zeigen aber, dass die Zahl der Kommentare zu Blog-Postings in diesem Jahr eher leicht zurückgeht als zunimmt. Das Grundrauschen im Netz verlagert sich offenbar zunehmend zu Facebook und Co.

In den USA liegt das Durchschnittsalter von Myspace bei 26, das von Facebook bei 27 Jahren

Und allmählich entdecken auch ältere Internet-Nutzer das soziale Vernetzen. In den USA liegt das Durchschnittsalter von Myspace bei 26, das von Facebook bei 27 Jahren - verglichen mit 40 Jahren beim Karriere-Netzwerk LinkedIn, wie das Pew Internet & American Life Project in Umfragen ermittelt hat. Das größte Wachstum bei den Mitgliederzahlen von Facebook gab es nach Erhebungen von Nielsen im vergangenen Jahr aber bei den 35- bis 49-Jährigen.

Kürzlich meldete sich im US-Staat Colorado der 88-jährige Witwer Howard Hilt bei Facebook an, machte seine Enkeltochter zur "Freundin" und lernte so ganz neue Seiten an ihr kennen. "Ich bin nicht viel auf Facebook unterwegs, sehe aber, dass dies eine Möglichkeit ist, um den Kern einer Persönlichkeit kennenzulernen", erklärt er. "Und es ist auch eine Möglichkeit, um spät in der Nacht etwas zu tun, wenn ich nicht schlafen kann." (AP/AP)