Ein Wintermärchen: Hinterbreiteneben Nr. 2.

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"1796": Die Holzdecke im Wohnzimmer birgt einen Hinweis auf das Alter des Hauses.

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Alt und Neu in friedlicher Koexistenz: In der Küche kann man auf einem E-Herd...

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..in der Stube auf einem alten Holzofen mit schmiedeeisernen Pfannen kochen.

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Schwitzen mit Ausblick in der Panoramasauna.

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Baden unter freiem Himmel im Hotpot.

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Garantierte Nachtruhe in rustikalen Doppelbetten.

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Hinterbreiteneben Nr. 2 in der Herbstsonne.

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Der Handyempfang fällt aus. Stille. Das GPS ist auch keine große Hilfe: "No match found" blinkt es. Aus der Straßenkarte lässt sich der Weg ebenso wenig herauslesen. Irgendwo im Nirgendwo in Niederösterreich: Hinterbreiteneben suchen, heißt Ruhe und Abgeschiedenheit finden.

Das Mostviertel zeigt sich hier von seiner wild-romantischen Seite. Keine fünf Kilometer entfernt liegt Lunz am einzigen natürlichen See Niederösterreichs: Kaltes, klares Wasser am Kältepol von Österreich. Im Osten wacht der Ötscher wie ein sanfter Riese über seine Schluchtenlandschaft. In den Tälern schnauft und zischt die Dampflok des Ötscherland-Express.

Ruhe ertragen lernen

Über allen Wipfeln herrscht Ruh: Auf einer Lichtung liegt das Haus Hinterbreiteneben Nummer Zwei. Im Sommer in einem Meer von Blumen, im Winter unter einer Decke aus Eis und Schnee. Tannenrauschen, Vogelgezwitscher, ab und zu ein fernes Flugzeug. Das mag kitschig klingen, ist aber vielmehr die perfekte Idylle für ein paar Tage Auszeit vom Alltag. "Mit der Stille hier, damit muss man umgehen lernen", sagt Hausherr Johannes Hoyos.

Kaum öffnet sich die Tür in die warme Stube, ist man angekommen. Es riecht nach Holz, nach Feuer, nach zu Hause. Die von vielen Füßen glatt gescheuerten Holzböden knacken vertraut, wenn man von einem Zimmer ins nächste spaziert.

Der Hof mit dem umliegenden Wald war jahrzehntelang nicht bewohnt, bevor Hoyos ihn 2002 übernommen hat. So wurde der junge Designer auch zum Land- und Forstwirt, zum Bastler und Tüftler: Er hat der Ruine in mehrjährigen Renovierungsarbeiten neues Leben eingehaucht und sie mit viel Liebe zum Detail in ein Ferienhaus der besonderen Art verwandelt. Sechs bis zehn Leute kommen hier unter, ohne sich auf den drei Stockwerken wirklich in die Quere zu kommen.

Abenteuerspielplatz Wiese

"Hier kommen vor allem Familien her, die Ruhe und Platz suchen", sagt Hoyos. Im Sommer und Herbst lädt der Ötscher mit seinen spektakulären Gräben zum Wandern ein. Mutige kühlen sich im Lunzer See ab, der im Winter zu einem Eislaufplatz gefriert. Auch die umliegenden Schigebiete wie Maißzinken oder Hochkar locken. Rund ums Haus ist die Wiese aber der größte Abenteuerspielplatz. Aus Hölzchen und Tannenzapfen sind hier vergangenen Herbst "Feenhäuser" entstanden - jetzt liegen sie unter gut eineinhalb Metern Schnee.

Hoyos war wichtig, "das Haus als Einheit zu erhalten", wie er sagt. Sprich: Authentizität ist das oberste Gebot. Und tatsächlich: Die Stube, die Schlafzimmer, der Dachboden - es wirkt, als wäre es schon immer so gewesen, als könnte es gar nicht anders sein. "1796" steht in das schwarzbraune Holz der mächtigen Wohnzimmerdecke geschnitzt. Ein Hinweis darauf, dass das Gemäuer gut 200 Jahre alt ist. Nur der Flachbildfernseher, der sich im Wohnzimmer hinter den Glastüren eines Holzschrankes mit edlen Schnitzereien versteckt, ist Zeuge aus einer anderen Zeit.

Die Einrichtung lässt einen immer wieder staunen: Eine riesige Schublade als unkonventioneller Couchtisch, eine umgedrehte Holzscheibtruhe als Lesesessel, eine Holzschlitten als bequeme Liege. Kommoden aus Ägypten, Geschirr aus Rumänien, Bettgestelle vom Wiener Naschmarkt: Fern und Nah finden in Hoyos' Hof zu einem sinnvollen Ganzem zusammen, Alt und Neu führen eine friedliche Koexistenz. In der Küche wird mit handelsüblichen Töpfen auf dem E-Herd gekocht - in der Stube warten schmiedeiserne Pfannen aus dem Allgäu auf ihren Einsatz am Holzofen.

Baden unter Bäumen

Geheizt wird stilgerecht: Ein alter Holzofen dient der Wärmezufuhr und steht bei richtiger Bedienung seinen modernen Kollegen um nichts nach. Für "thermische Notfälle" hat Johannes Hoyos auch eine kleine Sauna im Garten aufgestellt. "Damit niemand Angst haben muss, dass ihm kalt wird", sagt er und schmunzelt. Das große Panoramafenster verspricht Schwitzen mit Fernblick, die Schneedecke rasche Abkühlung auf die finnische Art. Wer ein warmes Bad bevorzugt, kann es unter freiem Himmel nehmen: In einem beheizbarem Fass aus Lärchenholz, das mit Wasser oder nach der "Alaska-Methode" mit Schnee befüllt wird. Der "Hot Pot" bringt den Inhalt dann auf wohlige Badetemperatur - ein feiner Ausklang für entspannte Tage.

Über die Nachtruhe der Gäste im wuchtigen Doppelbett wacht ein Schwarz-Weiß-Porträt von Kaiser Franz Josef. Und während sich draußen Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen, stehen drinnen auf den Nachtkästchen wahlweise die Bibel oder Charles Darwins "Evolution" als Bettlektüre zur Auswahl. Auszeit vom Alltag irgendwo im Nirgendwo in Niederösterreich. (nb/derStandard.at/17.03.2009)