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Auf das Gefühl Durst darf man sich verlassen. Ignorieren sollte man es nicht.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm



Arne Hahn aus Purkersdorf fragt: Muss man täglich drei Liter trinken?

8 x 8 - Die weltberühmte Formel ist nicht der Name eines Deodorants, sondern eine allgegenwärtige Mahnung, die sich auf das Trinken von Wasser bezieht. Ausformuliert besagt sie Folgendes: „Drink at least eight 8-oz glasses of water a day". Oder zu Deutsch: Acht Gläser beziehungsweise bis zu drei Liter Flüssigkeit braucht der Mensch, um seinen Körper gesund zu erhalten. Koffein- und alkoholhältige Getränke exklusive.

Diese Forderung - so wird es kolportiert - wurde von der Food and Nutrition Board of the National Research Council vor rund 60 Jahren in die Welt gesetzt. Im Detail lautete jedoch die Empfehlung von damals: 2,5 Liter Wasser ist die angemessene tägliche Ration für einen erwachsenen Menschen. Pro gegessener Kalorie sollte die Aufnahme von durchschnittlich einem Milliliter Wasser erfolgen. Das meiste davon - so stand es bereits damals geschrieben - war schon im Essen selbst zu finden.

Der letzte Punkt interessierte offenbar niemanden, denn seit damals sind Menschen stetig darum bemüht zu trinken, was das Zeug hält. Und das mit Absegnung unzähliger medizinischer Experten und Institutionen.

Haltlose Empfehlung

Einer der dieser Obsession des permanenten Trinkens nicht folgen wollte, war der amerikanische Physiologe Heinz Valtin. Er hegte Zweifel an 8 x 8 und konnte auch nach intensiven Recherchen nicht eruieren, wie es zu dieser Empfehlung eigentlich kam. In einer umfangreichen Studie hat er seine Bedenken im „American Journal of Physiology" schon vor Jahren zum Ausdruck gebracht.

Zugegeben, die Argumente die für eine prophylaktische Wasserzufuhr sprechen, sind gar nicht so schlecht. Angeblich verbessert ausgiebiges Trinken die Funktion aller Organe im menschlichen Organismus, insbesondere die der Nieren. Dazu kommt eine präventive Wirkung gegen Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen, Nierensteine, Verstopfung, trockene Haut und Depressionen. Wahrheit oder reine Spekulation? Wie zuvor Valtin, fanden auch die beiden Wissenschaftler Dan Negoianu und Stanley Goldfarb von der Universität of Pennsylvania in Philadelphia keinen Beweis für den gesundheitlichen Benefit, der angeblich aus dem übermäßigen Trinken resultiert. Ihre Studie "Just Add Water" wurde 2008 im Journal of the American Society of Nephrology publiziert.

Alles inklusive

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin hält sich an die amerikanische Vorgabe aus dem Jahr 1945. Sie empfiehlt gesunden Personen täglich 2,3 Liter Wasser zu trinken. Und jetzt bitte weiterlesen, denn ab jetzt wird's erst spannend: Ein Drittel dieser Flüssigkeit stammt aus fester Nahrung. Kaffee und Tee dürfen in die Trinkbilanz einberechnet werden, genauso wie alkoholische Getränke bei maßvollem Konsum.

Was übrig bleibt, ist also gar nicht so viel. Und auf das Gefühl Durst darf man sich ebenfalls verlassen. Es kommt nicht zu spät, wie vielfach angenommen, denn sonst wäre der Mensch ja sein Leben lang vor Austrocknung bedroht. Darüber hat sich 2002 auch Valtin schon gewundert, genauso wie über den Mythos, dass dunkler Urin ein Zeichen von Dehydrierung sein soll.

Dass der Mensch nicht länger als ein paar Tage ohne Zufuhr von Wasser überlebt, ist hinlänglich bekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Bedarf nach Flüssigkeit bei Hitze und intensiver sportlicher Aktivität entsprechend höher sein muss. Der Aufenthalt in einem gemäßigtem Klima ist jedoch entgegen der allgemein gültigen Meinung nicht Anlass genug für zwanghaftes Trinken. (Regina Philipp, derStandard.at, 26.03.2009)