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Arbeiterin, Politikerin, Journalistin und Kämpferin für die Rechte der Frauen: Adelheid Popp.
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Die Wienerin Adelheid Popp lebte von 1869 bis 1939.
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Sie publizierte 1909 anonym "Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin".
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Mit der 1909 anonym erschienenen Publikation "Jugendgeschichte einer Arbeiterin" legte Adelheid Popp (geb. Dworschak) ein Dokument proletarischen Elends vor, das erschütternder kaum sein konnte. Und dennoch ist es ein Bericht, der den typischen Alltag damaliger ArbeiterInnenkinder bezeichnend wiedergibt. 1869 in Inzersdorf bei Wien als fünfzehntes Kind einer Weberfamilie geboren - zehn der Geschwister starben bereits im Säuglingsalter - war Adelheid Dworschak schon als Kleinkind mit Armut und Elend konfrontiert. Ihr Vater, ein Alkoholiker, starb, als sie sechs Jahre alt war; ihre Mutter, die selbst als Sechsjährige Geld verdienen musste, war Analphabetin.

 

Heißester Wunsch: Ausschlafen

Nach nur drei Jahren Schule musste auch Adelheid als Dienstmädchen, Näherin und Fabriksarbeiterin arbeiten, um zum Unterhalt der Familie beizutragen: "Ich wurde in einer Werkstätte aufgenommen, wo ich Tücher häkeln lernte; bei zwölfstündiger fleißiger Arbeit verdiente ich 20 bis 25 Kreuzer am Tage. Wenn ich frühmorgens um 6 Uhr in die Arbeit laufen musste, dann schliefen andere Kinder meines Alters noch. Und wenn ich um 8 Uhr abends nach Hause eilte, dann gingen die anderen gut genährt und gepflegt zu Bette. Damals nahm ich mein Los als etwas Selbstverständliches hin, nur ein heißer Wunsch überkam mich immer wieder: mich nur einmal ausschlafen zu können. Schlafen wollt' ich, bis ich selbst erwachte, das stellte ich mir als das Herrlichste und Schönste vor".

Zwölf-Stunden-Tage zu Hungerlöhnen

Im Alter von dreizehn Jahren wurde ihr dieser Wunsch - unfreiwillig - erfüllt. Als sie aus Erschöpfung zusammenbrach, wurde sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Diese Zeit blieb ihr in schönster Erinnerung: ein eigenes Bett zum Ausschlafen und genug zu essen. Bald nach ihrer Entlassung erfolgte ein weiterer physischer Zusammenbruch und die naturgemäß aus Erschöpfung bedingten Schwächeanfälle diagnostizierte man als "unheilbares Leiden" - sie wurde ins Armenhaus geschickt. Mit vierzehn schließlich arbeitete sie erneut zwölf Stunden täglich, in einer Metalldruckerei, einer Patronenfabrik, einer Kartonagenfabrik und einer Schuhfabrik zu Hungerlöhnen.

Umschwung mit der Arbeiterpartei

Bei all den Demütigungen und der Ausbeutung, die sie im Alltag erfuhr, bot ihr nur eines Ablenkung: lesen. Alles, was ihr an Schundromanen und Schriften in die Hände fiel, verschlang sie. Doch ihr Wissensdurst konnte auf diese Weise nicht gelöscht werden. Durch den Freund ihres Bruders kam sie um 1880 zu einer Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Begeistert ergriff sie spontan das Wort: "Ich sprach über alles, was ich an mir selbst erfahren und an meinen Kolleginnen beobachtet hatte. Aufklärung, Bildung und Wissen forderte ich für mein Geschlecht". Ihre Rede wurde mit Interesse aufgenommen; nun sollte sie diese niederschreiben. Doch der Rechtschreibung und Grammatik war Adelheid Popp damals nicht kundig. Nach langen Arbeitstagen in der Fabrik lernte sie abends schreiben.

Erfolgreiche Kämpfe

Einige Jahre später - 1892 - war sie bereits Redakteurin der Wiener "Arbeiterinnenzeitung", die sie mitbegründet hatte. 1902 gründete sie dann den "Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen". 1918 wurde sie in den Parteivorstand der SPÖ und in den Wiener Gemeinderat gewählt und 1919 bis 1934 war sie Mitglied des österreichischen Parlaments. Zeit ihres Lebens kämpfte Popp für die Rechte der Frauen, insbesondere für das Wahlrecht und die Gleichberechtigung in der Ehe. Die Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen und Dienstmädchen sowie die Einführung des 10-Stundentages wurden von ihr durch Streiks und Agitationen immer wieder und unermüdlich gefordert.

Neben der "Jugendgeschichte einer Arbeiterin", die international erfolgreich verlegt wurde, publizierte sie "Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft" (1922) und "Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs" (1929). Adelheid Popp war seit 1893 mit dem Parteifunktionär Julius Popp verheiratet und hatte zwei Kinder. 1939 starb sie in Wien. (dabu)