Josef F. bekennt sich in Teilbereichen schuldig und sieht sich auch selbst als Opfer. Die Staatsanwältin plädiert auf Mord und Sklavenhandel, der Verteidiger weist das zurück. Die Medien werden nach zwei Stunden von der Verhandlung ausgeschlossen.

Zeichnung: Oliver Schopf

Einen Punkt nach dem anderen fragt Richterin Andrea Humer ab. "Blutschande?" Josef F. antwortet mit einem schlichten Ja. Er spricht mit leiser, leicht rauchiger Stimme. "Nötigung und schwere Nötigung?" Ob er seiner Tochter und ihren Kindern gesagt habe, dass der Keller mit Starkstromdrähten und Gasfallen gesichert sei? "Schuldig." Oder gesagt habe, er werde alle umbringen, wenn sie die Wahrheit sagen? "Hab i net gsagt." - "Freiheitsentziehung der Kinder?" "Bitte?" Die Richterin wiederholt die Frage, sie wird mit Ja beantwortet. Die sexuellen Straftaten? "Teilweise schuldig." Und dann die entscheidenden Fragen, jene zwei Punkte, deretwegen Josef F. zu 20 Jahren beziehungsweise lebenslanger Haftstrafe verurteilt werden könnte: "Sklavenhandel?" - "Nicht schuldig." - "Mord durch Unterlassung?" - "Nicht schuldig."

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Josef F. bereits am Einvernehmungstischchen. Ruhig, höflich, die Sprache meist mit leichtem Dialekt eingefärbt, gelegentlich in Hochdeutsch wechselnd. Als er den Gerichtssaal betreten hatte, wollte Josef F. sein Gesicht der versammelten internationalen Öffentlichkeit nicht preisgeben. Hoch aufgerichtet stand er da hinter dem blauen Aktenordner, seinem Gesichtsparavent, an dem die immer und immer wiederkehrenden Fragen des ORF-Reporters unbeantwortet abprallten. "Warum? Können Sie eine Erklärung abgeben?" ... "Rechnen Sie mit einem fairen Verfahren?" ... "Wenn Sie es könnten, würden Sie es wiedergutmachen wollen?" Josef F. blieb regungslos, sprachlos - nur einmal bewegte sich ein Zeigefinger, wischte kurz über den Ordner.

Als dann endlich Richterin Humer den Saal betrat, blieben alle im Saal, das Gericht, der Angeklagte, die Zuschauer, lange, wie zu einer Schweigeminute, stehen. Dann betont die Vorsitzende, dass es hier "um das Verbrechen eines Einzeltäters, nicht eines Ortes oder gar einer ganzen Nation" gehe. Sie erinnert an die Unschuldsvermutung und an den besonderen Schutz, den Opfer genießen.

Plastische Anklageverlesung

Erst dann, als die Kamerateams und Fotografen den Saal verlassen haben, enthüllt Josef F. sein in der Haft erbleichtes Gesicht. Und es ist an Staatsanwältin Christiane Burkheiser, "das Martyrium" zu schildern, das begann, "als ich noch so klein war" - sie deutet die Größe eines kleinen Mädchens an. Damals, als der Angeklagte am 29. August 1984 seine damals 18-jährige Tochter gebeten hatte, sie möge ihm helfen, eine Türe in den Keller zu tragen. Damals, als er sie mit einem Tuch betäubte, fesselte und einen Tag später das erste Mal im Kellerverlies vergewaltigte.

Burkheiser hat mit Klebestreifen die beengende Höhe des Kellers markiert, schildert, dass es kein Waschbecken gab, kein Warmwasser, keine Dusche, keine Heizung, kein warmes Essen. Jahrelang. Auch, als schon die ersten Kinder - und gleichzeitig Geschwister - der Entführten zur Welt kamen. Die Staatsanwältin hat sogar Gegenstände aus dem Keller als "Duftproben" mitgebracht. "Riechen Sie", fordert sie die Geschworenen auf. "Riechen Sie 24 Jahre."

Das Leid beschrieben

Immer wieder versucht sie, das Leiden der Tochter zu beschreiben, die Vergewaltigungen, die Geburten ohne ärztliche Hilfe, abgenabelt mit "einer dreckigen Schere", eingewickelt "in einem schmutzigen Tuch". Sie berichtet, wie Josef F. die "Kindsweglegungen" inszenierte, wie er die Mutter der Kinder zwang, einen Brief zu schreiben, dass sie bei einer Sekte sei und ihre Eltern bat, sich um das Kind zu kümmern. Und sie beschreibt, wie nach der Geburt der Zwillinge ein Baby schwer erkrankte und starb. Josef F. soll damals keine ärztliche Hilfe geholt und nur gesagt haben: "Wie's kommt, so kommt's."

Josef F.s Anwalt Rudolf Mayer sieht in dieser Aussage allerdings nur einen "bedingten Vorsatz". Immer wieder kommt Mayer in seinen Ausführungen auf den Begriff "Monster" zurück, mit dem der Angeklagte medial besetzt wurde. Ein "Monster" hätte nicht, wie später dann, seine todkranke Enkeltochter ins Spital gebracht: "Als Monster bring ich alle um, genieße unbescholten meinen Lebensabend - und aus is". Immer wieder spricht er die Geschworenen direkt an: "Jetzt frag i Ihnen: Warum bringt er das eine Kind nicht rauf - aber das andere schon?" Und die Frage des Sklavenhandels? Dieser Punkt sei juristisches Neuland in Österreich, betont Mayer. "Sklavenhandel hat zur Intention, dass jemand zur Ware gemacht wird." Ob das der Fall war, müssen die Geschworenen beurteilen.

Dann berichtet Josef F. noch vor der Öffentlichkeit über seinen Lebensweg - unter gänzlicher Aussparung seiner zweiten Identität im Keller. Wie er als Jugendlicher Elektrotechnik und Elektromechanik lernte, wie er seine Frau noch als Lehrling kennenlernte, wie er bei der Vöest arbeitete, auf Montage ging. Dann das zweite Standbein, die Gastronomie, der Campingplatz an einem See, die erworbenen Immobilien ... Ein normaler, strebsamer Lebenslauf. Bis auf die eine, schon vor langer Zeit abgebüßte und somit getilgte Haftstrafe.

Zweierlei "Martyrium"

Und dann fragt ihn sein Verteidiger noch, warum er der psychiatrischen Gutachterin gesagt habe: Das Leben seiner Mutter sei das reinste Martyrium gewesen? "Weil s' mi eigentlich net wollte." Ob er Freunde habe, will Mayer noch wissen. Doch da sagt Josef F. auf einmal, dass er immer viel geschlagen worden sei. Seine Stimme bricht: "Mit zwölf wollt i mir das nicht mehr gefallen lassen. Dann war a Ruah."

Dann wendet sich Richterin Humer der zweiten "Familie" von Josef F. zu - da die Geschehnisse im Keller "Fragen der Sittlichkeit und des höchstpersönlichen Lebensbereich der Opfer" berühren, wird die Öffentlichkeit ab diesem Moment ausgeschlossen. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD-Printausgabe, 17.3.2009)