ÖGB-Chef Erich Foglar fordert Reformen im Steuersystem: "Die vermögensbezogenen Steuereinnahmen sind beschämend niedrig. Da sind wir das Land am Ende der Liste. Das gehört geändert."

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Standard: Die SPÖ-Regierungsmannschaft geht offenbar davon aus, dass in Krisenzeiten auch Beschlüsse gegen die Gewerkschaft nötig sind. Muss die Gewerkschaft in Zeiten wie diesen leisertreten?

Foglar: Überhaupt nicht. Die Gewerkschaft hat in erster Linie die Beschäftigten zu vertreten. Es ist ziemlich egal, ob es eine Krise gibt oder nicht. Ich plädiere sehr dafür, dass man in sozialpartnerschaftlicher Art und Weise versucht, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Standard: Auch Bundespräsident Heinz Fischer hat angedeutet, dass Beschlüsse nicht die Zustimmung der Gewerkschaft brauchen. Waren Sie davon überrascht?

Foglar: Nein, das ist absolut korrekt. Eine Regierung kann beschließen, was sie glaubt beschließen zu müssen. Sie muss aber die Konsequenzen dafür tragen.

Standard: Sehen Sie die Sozialpartner-Tradition in Gefahr?

Foglar: Nein, im Gegenteil. Die Standpunkte bei den Lehrern sind halt momentan noch weit auseinander, deshalb braucht es Verhandlungen. Es wäre aber gut, die Zahlen, Daten und Fakten zum Budget offenzulegen. Wenn die nicht veröffentlicht werden, wird es schwer zu verhandeln.

Standard: Auffallend ist, dass es bisher nur bei den Beamten Proteste gibt. Muss der "geschützte Bereich" nicht auch einen Beitrag leisten?

Foglar: Wenn man so wie bei den Lehrern einen jahrzehntelangen Grundkonsens verändern will, wird man das nur in beiderseitigem Einvernehmen können und nicht durch ein einseitiges Diktat. Darum geht es. Es hat kein einziger, der von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen ist, einen Vorteil, wenn die Lehrer zwei Stunden mehr in den Klassenzimmern stehen. Das ist das fatale an der Diskussion. Es geht um dringend notwendige Reformen im Bildungssystem.

Standard: Sie sind also nicht grundsätzlich gegen die zwei Stunden?

Foglar: Es braucht ein Maßnahmenpaket. Das schließt auch die Arbeitsbedingungen der Lehrer und das Entlohnungssystem ein. Wir haben auch riesengroße Probleme bei Schülern, die die Grundschule verlassen. Da braucht es viele Maßnahmen:die Neue Mittelschule, Projektunterricht, verpflichtende Sprachförderung und und und. Es ist nicht gut, wenn man das nur an den zwei Stunden festmacht.

Standard: So eine umfassende Reform ist aber schwer bis April möglich, wie Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SP) das plant.

Foglar: Ich halte es auch nicht für sehr glücklich, wenn man versucht, aus der aktuellen Budgetsituation heraus das Problem mit den zwei Stunden zu lösen. Das ist kein zielführender Weg. Wenn man das Bildungssystem wirklich zum Positiven verändern will, dann muss man auch die Budgetmittel zur Verfügung stellen.

Standard: Pessimisten befürchten, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet sein könnte, wenn die Arbeitslosenzahlen weiter explodieren. Muss man sich darauf vorbereiten?

Foglar: Natürlich, das ist vielleicht einer der wichtigsten Punkte. Wir haben das schon so oft mitgemacht. Jetzt sind es die Lehrer. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren es die "privilegierten" Voestler, als nächstes sind es die Gemeindebediensteten oder die Industriearbeiter in der ÖMV oder sonst wo. Wenn wir so weitertun, dann schaffen wir genau das, was wir verhindern wollen. Nämlich, dass in einer Krise die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen auseinanderdividiert oder sogar gegeneinander aufgebracht werden. Genau das Gegenteil brauchen wir aber. Wir brauchen den Zusammenhalt und die Solidarität.

Standard: Alle sozialpolitischen Maßnahmen kosten rasch viel Geld. Glauben Sie, dass die Steuerzahler Verständnis dafür haben, dass der ÖGB für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes eintritt?

Foglar: In erster Linie geht es hier um eine Versicherungsleistung, das ist ja keinGeschenk. Und man muss es auch unter dem Titel Mindestsicherung sehen. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, sind immer mehr Menschen von einem geringeren Einkommen abhängig. Es wäre daher gut, wenn wir eine Anhebung hätten, um das Abgleiten in die Armutsfalle zumindest abzudämpfen. Es braucht Dämme.

Standard: Die klassische Mindestsicherung wurde aber gerade vertagt.

Foglar: Das ist bedauerlich, offensichtlich gibt es da immense Schwierigkeiten. Wir würden es begrüßen, wenn sie rasch käme. Das muss oberste Priorität haben.

Standard: Kärntens Weigerung dient als ein Argument für die Verzögerung. Ist das vorgeschoben?

Foglar: Ich verstehe das Weigern dieses Bundeslandes überhaupt nicht. Es kann jedenfalls nicht so sein, dass acht Bundesländer und der Bund wollen - und alle warten auf ein Land. Dann muss es eine Lösung geben, wie es ohne Kärnten geht.

Standard: Ist der ÖGBnoch immer für eine Vermögenszuwachssteuer?Momentan gibt es kaum Zuwachs.

Foglar: Sie ist absolut richtig. Was wir fürchten, ist, dass jetzt jene still und leise die Krise durchtauchen, die vorher wie die Bösen Gewinne abgecasht haben. Und wenn es wieder aufwärts geht, läuft alles wieder unverändert weiter. Dagegen werden wir uns mit allen Möglichkeiten zur Wehr setzen. Man soll die Vermögenszuwachssteuer einführen, dann bringt sie halt jetzt nicht die gewünschten Einnahmen. Irgendwann gibt es sie aber.

Standard: Das klingt ein bisschen nach: Die gehören bestraft.

Foglar: Das hat nichts mit bestrafen zu tun, sondern mit Lernfähigkeit und mit Konsequenzen. Wenn ein völlig deregulierter, globalisierter Finanzmarkt der Verursacher dieser Krise ist, dann gehören hier Veränderungen herbeigeführt.

Standard: Sie wollen also eine weitere Etappe der Steuerreform?

Foglar: Wir brauchen nach dieser Steuersenkung eine richtige Steuerreform. Nach wie vor ist das Steuersystem von der Lohn- und der Mehrwertsteuer getragen. Das sind zwei Drittel der Steuereinnahmen. Die vermögensbezogenen Steuereinnahmen sind beschämend niedrig. Da sind wir das Land ganz am Ende der Liste. Das gehört geändert.

Standard: Wo gehört nachjustiert?

Foglar: Wir finden, dass Absetzbeträge gerechter sind als Freibeträgen, wollen unter anderem eine Ausweitung der Negativsteuer und eine ständige Valorisierung der Absetzbeträge. Und vor allem darf die Belastung von einem Steuersatz auf den nächsten nicht so stark ausfallen.

Standard: Der Generalsekretär desÖVP-Arbeitnehmerbundes, Werner Amon, schlägt vor, Firmen stichprobenartig auf ungleiche Gehälter von Männern und Frauen zu prüfen. Was sagen Sie zu diesem Vorstoß?

Foglar: Es gibt keine Denkverbote. Wo nachweislich völlig ungerechtfertigt unterschiedliche Löhne gezahlt werden, dort gehört rigoros etwas gemacht.

Standard: Auch mit Strafen?

Foglar: Man solle es zumindestens wegen Diskriminierung einklagen können. Die Beweislast müsste umgedreht werden. Derzeit müssen die Arbeitnehmer beweisen, dass sie diskriminiert wurden, und das ist immens schwierig. (Peter Mayr und Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2009)