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Norbert Bensel: "Wenn Railselect gut funktioniert, überlegen wir uns die nächsten Schritte."

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Nicht die anderen Eisenbahnen seien die großen Wettbewerber von DB oder ÖBB, sondern der Lkw.

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Die Deutsche Bahn hält das Jointventure mit Rail Cargo Austria auf der Westbahn für ausbaufähig. Eine Kapitalbeteiligung sei nicht zwingend notwendig, sagte DB-Logistikvorstand Norbert Bensel im Gespräch mit Luise Ungerboeck.

STANDARD: Europas Bahnen haben gefürchtet, die Deutsche Bahn (DB) könnte halb Europa zusammenkaufen und jetzt reicht es gerade für eine Produktionsfirma auf der Westbahn. Wozu braucht die DB das Joint-venture Railselect mit ÖBB/Rail Cargo Austria (RCA)?

Bensel: Man muss das vor dem Hintergrund der Veränderungen im europäischen Güterverkehr sehen. Die Schiene wurde in wichtigen Märkten immer wichtiger, hat in den letzten Jahren in Deutschland gegenüber anderen Verkehrsträgern gewonnen, auch gegenüber der Straße. Zweitens: Die Grenzen sind offen und Kunden wollen grenzüberschreitend Leistungen aus einer Hand, und das mit Kooperationspartnern mit gutem Leistungsvermögen, wie Rail Cargo Austria und DB Schenker Rail. Das Thema Qualität, regelmäßige Abfahrten und so weiter, das kann einer im Regelfall ja nicht allein. Man muss ja nicht immer Eisenbahnen kaufen, man kann auch intelligent zusammenarbeiten.

STANDARD: Das geht nur mit einer externen Produktionsgesellschaft?

Bensel: Ich glaube schon, dass es notwendig ist, auf bestimmten Korridoren die Produktionsmittel zu bündeln, um Effizienzen in Produktion, Qualität und Abfahrtshäufigkeit zu steigern. Der wirkliche Wettbewerb sind ja nicht andere Eisenbahnen, sondern es ist der Lkw. Mit ihm müssen wir bei Qualität und Kosten mithalten. Deshalb sind Joint-ventures sinnvoll. Unsere Strategie ist ganz klar: Dort, wo wir nicht anders können, gehen wir natürlich in Eigen-Traktion.

STANDARD: Aber Sie bringen in das Joint-venture mit Rail Cargo Austria keine neuen Verkehre ein, sondern nur bestehende. Klingt eher nach Geiz, denn nach Offensive.

Bensel: Ziel sind natürlich neue Verkehre. Die großen Bahnen sind nicht bei Ganzzügen auf Kooperation angewiesen, sondern im Einzelwagenverkehr. Denn die Verteilung (Verschub etc., Anm.) ist immens kapitalintensiv, das können nur große Staatsbahnen durchführen, kaum Privatbahnen. Produktivitäts- und Qualitätseffekte lassen sich aber nur durch intelligente Zusammenarbeit heben, das macht Railselect auf der Achse Deutschland-Österreich so wichtig.

STANDARD:Von den zehn Verkehren beim Start von Railselect sind vier Automotive und zwei Montan. Beide Branchen brechen gerade zusammen. Das soll Zukunft haben?

Bensel: Natürlich sind neue Verkehre das Ziel, wir wollen mit Railselect ja nicht nur den Status-quo verwalten, sondern gegen die Straße gewinnen. Wir müssen uns die Verkehre jetzt neu anschauen, die Gespräche laufen ja schon seit Jahren. Manche Verkehre brechen weg, es gibt aber auch neue. Das ist der Grund, warum wir vielleicht noch weiter zusammenrücken müssen. Den Vertrieb legen DB und RCA zwar nicht zusammen, aber beide haben ein besseres Produkt, das sie verkaufen können. Hoffentlich mehr Abfahrten, hoffentlich bessere Preise, hoffentlich bessere Qualität – das ist das Ziel.

STANDARD: Im Memorandum of Understanding aus Februar 2006 steht, die Kooperation zwischen DB und ÖBB könnte bis zur Kapitalbeteiligung gehen. Ist das noch aktuell?

Bensel: Wenn ich jetzt sage, das ist das Ziel, haben Sie eine Schlagzeile, die der Sache aber nicht gerecht wird. Natürlich ist es schön, etwas zu besitzen. Aber ich glaube, wir müssen lernen, in Netzwerken zu kooperieren. Irgendwann stünden wohl auch die Kartellbehörden auf der Matte.

STANDARD: Erwarten Sie Kartellprobleme bei Railselect? DB und ÖBB dominieren ja auf den Strecken.

Bensel: Nein, eigentlich nicht, weil die Schiene gegenüber der Straße nur 15 Prozent Marktanteil hat und die EU will ja schließlich mehr Verkehr auf die Schiene bringen.

STANDARD: DB Schenker Rail fährt mit dreizehn alten BR-182-Loks in Railselect, die ÖBB mit neuen Taurus. Halten Sie dieses Ungleichgewicht für eine gute Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit?

Bensel: Vom Wert her ist es relativ egal, wie alt die Loks sind, das kann man ja geldmäßig ausgleichen. Ein Mix aus neuem und älterem Material ist sogar gut, weil sonst haben sie so hohe Abschreibungen, die sie nie verdienen können.

STANDARD: Wohin geht die Railselect-Reise? Ziel der DB kann es doch nur sein, in den von RCA und ihrer Tochter Máv Cargo dominierten ungarischen Schienengüterverkehr hineinzukommen, Ungarn ist ja ein weißer Fleck auf ihrer Landkarte?

Bensel: Am Reissbrett kann man vieles machen, aber jetzt müssen die neuen, gemeinsamen Wege einmal eingeübt werden. Wenn Railselect gut funktioniert, überlegen wir uns die nächsten Schritte.

STANDARD:: Hat der Einzelwagenverkehr überhaupt Zukunft? Der ist mit Verschub etc. kaum konkurrenzfähig gegenüber der Straße.

Bensel: Deshalb ist der Wettbewerb im Ganzzugverkehr auch so hart. Das Einzelwagensystem ist dafür aber der USP. Den müssen wir effizienter gestalten. Es fehlt zum Beispiel beim Tracking & Tracing, aber wir sind dabei, das aufzubauen. Wir sind auch nicht so flexibel beim Einzelwagensystem, können keine Umwege fahren wie Lkw. Deshalb können wir auch nicht alle Anschlüsse, auf denen einmal pro Woche ein Wagen hinfährt, erhalten. Wir brauchen Railports für bi- oder trimodale Punkte, bei denen die letzte Meile mit dem Lkw produziert wird. Wir müssen auch Lieferzeiten garantieren können.

STANDARD: Erwarten Sie aufgrund der Krise einen Shake-out in der Branche? Die glänzt ja weniger durch Eigenkapitalreichtum, denn durch Dumping-Preise ...

Bensel: Natürlich wird es zur Marktbereinigung kommen, aber die birgt die Gefahr, dass uns verlässliche Partner abhanden kommen. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass wir sehr rasch auf die Kapazitäten vom Frühjahr 2008 zurückkommen. Entscheidend ist, wo die Produktionsstandorte hin verlagert werden. Mit unserem weltweiten Netzwerk aus Luft-, Bahn-, Schiff- und Lkw-Transport sind wir dafür gut aufgestellt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2009)