STANDARD: Auch Sie waren ein Priester, der ...

Chocholka: Ich bin noch immer Priester. Darauf lege ich Wert. Wir bleiben Priester, wir dürfen - offiziell zumindest - unser Amt nicht ausüben. Inoffiziell tun wir es natürlich.

STANDARD: Also Sie taufen, verheiraten ...

Chocholka: Ich habe zum Beispiel auch mein Enkerl getauft.

STANDARD: Das wird von der Amtskirche geduldet?

Chocholka: Ja, es wird still geduldet. Solange alles geheim ist, wird es geduldet. Nur wenn wir es zu öffentlich machen, bekommen wir eine Rüge, die uns über mehrere Ecken mitgeteilt wird. Letztes Jahr zum Beispiel gab es eine Trauung mit Geschiedenen. Die Rüge war, ich hätte es zu feierlich gemacht.

STANDARD: Sie haben aber keine Kirche für Ihre priesterlichen Tätigkeiten zur Verfügung.

Chocholka: Teils, teils. Die angesprochene Trauung war in einer Pfarrkirche. Die meisten sind in irgendwelchen Schlössern oder Privatkapellen. Wir dürfen an sich ja jede priesterliche Tätigkeit ausüben. Der Zölibat ist eine Ideologie. Der Pflichtzölibat ist durch nichts begründbar. Es gibt nach der Heiligen Schrift Ehelosigkeit um des Himmelreiches wegen, das hat aber mit dem Priestertum nichts zu tun. Wenn ich mit Bischöfen darüber diskutiere, geben sie mir in allen Punkten recht. Sie haben keine Argumente.

STANDARD: Was ist mit den Kindern der Priester?

Chocholka: Das ist eine ganz heikle Frage: Natürlich gibt es viele Priester - auch im Amt -, die Kinder haben. Die Folge ist, dass die Mütter sagen, der Vater ist gestorben oder er hat uns verlassen. Die Kinder fallen, wenn sie das erfahren, oft in ein tiefes Loch.

STANDARD: Gibt es eine finanzielle Unterstützung, einen kirchlichen Fonds, für die Kinder?

Chocholka: Offiziell nicht. Inoffiziell gibt es ihn natürlich. Offiziell wird das geleugnet.

STANDARD: Wie war das eigentlich bei Ihnen? Sie wollten den Zölibat nicht mehr leben. Warum?

Chocholka: In unseren Seminaren sind wir auf den Zölibat gedrillt worden. Das ist oft sehr schlimm gewesen, wir wurden indoktriniert. Es hieß, du bist berufen, du musst den Zölibat ausüben. Wenn der Obere was sagt, dann ist das der Wille Gottes. Ich habe den Zölibat auf mich genommen, sozusagen die Krot gefressen und durchgehalten, bis ich durch lange Studien draufgekommen bin, dass es eben nicht der Wille Gottes ist.

Und dann habe ich mich gefragt, wozu soll ich ihn halten? Ich erhielt eine Dispens, 1971, da ging es noch leichter, und wurde Religionslehrer. Meine Frau habe ich in der Schule kennengelernt. Wir haben uns verliebt und geheiratet.

STANDARD: Auch kirchlich?

Chocholka: Wir haben kirchlich geheiratet, ja. Allerdings durften wir nach den Auflagen Roms nur heimlich heiraten, also nicht in einer öffentlichen Kirche, und ohne Trauzeugen. Die Trauung durfte nicht vermerkt werden wie bei jedem anderen Christen.

STANDARD: Wie viele verheiratete Priester gibt es in Österreich?

Chocholka: Ich schätze, es sind so an die 1200. Ich habe allein in meinem Computer 600 Adressen. Die Jungen gehen heute meist ganz weg von der Kirche und suchen sich andere Berufe. Wir haben einen Verein gegründet und unterstützen jene, die überhaupt kein Einkommen haben. Wir sind in allen Diözesen organisiert - auch die Frauen. Die Bischöfe wissen davon. (Walter Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 14./15. März 2009)