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Die Klassen waren heute ab 11 Uhr leer - stattdessen wurde im Kino über die Maßnahmen von Bundesministerin Claudia Schmied gesprochen.

Foto: APA/Schlager

Der Eingang zum Kino-Saal ist verstopft. Hunderte Lehrerinnen und Lehrer drängen sich in den Saal, an dem ansonsten entspannt Hollywood-Kino verfolgt wird. Viele versuchen noch einen gemütlichen Sitzplatz zu ergattern. Denn die Angelegenheiten, um die es heute geht, sind alles andere als gemütlich.

Bei der Dienststellenversammlung aller Schulen aus dem ersten und dritten Bezirk in Wien werden die rund 700 bis 800 Lehrerinnen und Lehrer erstmals aufgeklärt, was das Vorhaben von Bundesministerin Schmied die Unterrichtszeit auszuweiten für sie persönlich bedeuten könnte.

"Der Druck der Basis ist sehr groß"

Begrüsst werden die Lehrer mit einer ernsten Botschaft auf der Kinoleinwand: "Als man den LehrerInnen die Arbeitszeit erhöhte, fand ich das richtig, denn ich war ja kein Lehrer. Als man den Polizisten, die Arbeitszeit erhöhte, musste ich grinsen, denn wer mag schon Polizisten. Als man die Postämter schloss, kümmerte es mich wenig, denn ich schreibe ja nur E-Mails. Als man mir die Arbeitszeit erhöhte und das Gehalt kürzte, da war niemand mehr da, der das befremdlich fand."

Stephan Maresch ist Gewerkschafter der PflichtschullehrerInnen in Wien und Mitorganisator der Diensstellenversammlung. Die Stimmung unter den Lehrern sei ernst, meint er: "Wir haben in vielen, vielen Mails Rückmeldungen zu den Aussagen von Ministerin Schmied bekommen. Der Druck der Basis ist sehr groß." Heute gehe es darum, den Lehrern die Fakten mitzuteilen.

"Nicht alle in einen Topf werfen"

Unter diesen herrscht derzeit offensichtlich mancherorts Verwirrung. "Wir haben keine Ahnung, was da auf uns zukommt", heißt es aus den Sitzreihen des Kinosaals ebenso wie: "Die Kommunikation funktioniert überhaupt nicht."  Viele Lehrer wollen zur derzeitigen Situation überhaupt nicht Stellung nehmen. Andere hingegen machen ihrem Ärger Luft: "Mich stört es, dass in der Diskussion alle Lehrer in einen Topf geworfen wurden. Man kann zum Beispiel die Situation der Volksschullehrer nicht mit jener von AHS-Lehrern vergleichen. Für Volksschullehrer gibt es eine viel höhere Lehrverpflichtung", sagt Ursula M., selbst Volksschullehrerin aus dem dritten Bezirk. Wenn jetzt die Lehrer zwei Stunden länger in der Klasse stünden, hätte niemand etwas davon. "Die Lehrer sind dann noch erschöpfter, ein Nachteil für die Kinder."

Schmied "operiert mit falschen Zahlen"

Gewerkschafter Maresch kritisiert die Vorgehensweise von Ministerin Schmied: "Sie operiert mit falschen Zahlen. Es stehen nicht alle Lehrer nur 607 Stunden im Jahr in der Klasse. Bei den Volksschullehrerin sind es 765 bis 792 Stunden. Hier liegen wir in Österreich also über dem OECD-Schnitt." Bei ihm sei der Eindruck entstanden, dass Schmied wenig Ahnung davon habe, was in den Klassenzimmern wirklich vor sich gehe. Die Lehrer seien nicht mehr nur Wissensvermittler, sondern auch Sozialarbeiter. "Wir sind für die Integration von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache verantwortlich, genauso wie für Kinder aus dem Umfeld sozialer Brennpunkte. Zusätzlich gibt es keine Leistungsgruppen mehr, wir müssen also auf die innere Differenzierung achten. Das bedeutet dann logischerweise auch einen erhöhten Aufwand für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts", argumentiert Maresch.

Mehr Anreize für engagierte Lehrer

Vorschläge, wie die Lehr-Situation verbessert werden könnte, gibt es einige. Volksschullehrerin Ursula M. würde sich wünschen, dass engagierte Lehrer, die sich fortbilden, davon auch gehaltsmäßig profitieren. "Ich habe beispielsweise eine teure Ausbildung zur Mediatorin gemacht. Dadurch hat sich mein Gehalt nicht um einen Cent verbessert. In der freien Wirtschaft ist das gang und gäbe." Jetzt würden durch das System auch einige Leute mitgetragen, deren Arbeitseinstellung zu Wünschen übrig lasse.

"So kann man nicht arbeiten"

Katharina S., ebenfalls Volksschullehrerin, kann sich eine Ausweitung der Unterrichtszeit nur dann vorstellen, wenn es dafür Investitionen in der Infrastruktur gebe. Der derzeitige Zustand sei katastrophal:  "Ich war schon oft so weit, dass ich mir überlegt habe an die Medien ein Foto meines Arbeitsplatzes zu schicken. Daheim habe ich einen winzigen Raum, voll mit Unterlagen, Büchern und PC. Das habe ich natürlich aus eigener Tasche bezahlt. In der Schule habe ich nur einen halben Tisch. So kann man nicht arbeiten."

Mitgliederzahlen der Gewerkschaft steigen

Die Dynamik unter den Lehrern macht sich nicht nur im Kinosaal bemerkbar, sondern schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen der Gewerkschaft wieder: "Seit letzten Donnerstag haben wir in Wien 70 neue Mitglieder bei der Pflichtschulgewerkschaft", sagt Maresch. Unterstützung für Claudia Schmied gebe es fast keine. "Unter den 11.500 Lehrern in Wien", so schätzt er " sind das wahrscheinlich nur an die 40 Leute."

Über den letzten Schritt - Streik-Maßnahmen - äußert man sich dennoch nur ungern. "Das Wort Streik wollen wir nicht in den Mund nehmen. Das kommt in der Bevölkerung nicht gut an. Aber wenn wir keine andere Wahl haben, dann müssen wir darüber natürlich reden", meint Gewerkschafter Maresch. Einige Lehrer sind aber auch strikt dagegen. "Nein, bei einem Streik würden wir auf keinen Fall mitmachen. Das bringt nichts. Dadurch würde sich das Image der Lehrer in der Öffentlichkeit nur weiter verschlechtern", meinen zwei ältere Lehrerinnen. (Teresa Eder/derStandard.at, 12.3.2009)