M. Ward gelingt mit "Hold Time" ein berührendes Meisterwerk.

 

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Oft geht's nicht gleich. Macht aber nichts. Die Liebe auf den ersten Blick ist ja auch eher die Ausnahme, wenn nicht überhaupt ein Märchen. Bei Matt Ward, der als M. Ward seit 1999 sechs Alben veröffentlicht hat, war es bisher ähnlich.

Dem Mann eilte eine Reputation voraus, der seine Alben nicht wirklich gerecht wurden. Den Genius eines Dylan verströme sein Werk, allein die tatsächlich Wahrnehmung entsprach eher einem gehobenen Durchschnitt aus dem Fach des klassischen US-amerikanischen Singer-Songwritertums. Historisch versiert mit Americana-Beigeschmack, also mit einem Bein im Country stehend.

Nun nimmt man Vergleiche mit Dylan schon ob ihres inflationär unbeholfenen Einsatzes nur noch in Zusammenhang mit Dylan selbst ernst. Dennoch will damit ja ein Superlativ zum Ausdruck gebracht werden. Aber, wie gesagt, derlei war bisher wenig nachvollziehbar. Ging nicht. Jetzt aber! Mit dem siebten Album Hold Time ziehen Schein und Sein endlich gleich.

Und wie ja auch die Wissenschafter hartnäckig behaupten, dass Liebe nur ein chemischer Prozess sei, geht es auch bei Hold Time um die Chemie - im Sinne der richtigen Mischung. Denn neu erfunden hat sich der Mittdreißiger aus Portland im US-Bundesstaat Oregon natürlich nicht. Doch der genrebedingt eher in die Vergangenheit denn die Zukunft gerichtete Sänger mit einem Tonfall, der klingt, als wäre er eben erst mit zartem Pelz auf der Zunge aus dem Land der Träume wiedergekehrt, verdichtet seine Kunst hier (auch) produktionsmäßig in bislang bei ihm nicht gehörter Art.

Bereits die Eröffnungsnummer For Beginners klingt nach der Jahreszeit der Liebe: Mit Handclaps über einer zart gedrückten Orgel erinnert sie entfernt an Joe Strummers Sichtung von Bob Marleys Redemption Song. Die berührende Brüchigkeit in Strummers Interpretation überführt Ward dann in andere Songs, in denen er alte Gitarren roh dröhnen lässt, dazu ein staubiges Stehpiano einen verwischten Boogie spielen lässt - und immer wieder auf Handclaps als menschelnde Rhythmen baut.

Auch die zärtliche, gezupfte und geschlagene Gitarre in Jailbird erinnert trotz todesnahem Thema an Frühlingswonne, die von den Streichern in Richtung Gänseblümchenwiese getragen wird. Und: Noch nie betörte Ward derart mit Pop-Appeal. Hold Time ist nämlich vor allem auch ein grooviges Album. Dieser Groove zeigt sich in den angezogenen Songs ebenso wie in den abgebremsten Stücken; allen voran in der Coverversion von Oh Lonesome Me, der zumindest zweitbesten Interpretation nach Nancy Sinatras und Lee Hazlewoods Bearbeitung.

Überzogen werden die Songs von einer Sound-Patina, wie sie auch der seelenverwandte Joe Henry gern verwendet, um seinen Alben einen alten und gleichzeitig zeitlosen Charakter zu verleihen. Und das zeichnet Meisterwerke ja auch aus: ihre Zeitlosigkeit. Mit Hold Time ist M. Ward nun in diesen elitären Club eingezogen. (Karl Fluch /DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.3.2009)