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Endometriose ist ein häufiger Grund für ungewollte Kinderlosigkeit

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Zur Person

Jörg Keckstein ist Leiter der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung am Landeskrankenhaus Villach, die als erste in Österreich in die Liste der zertifizierten Endometriosezentren der Europäischen Endometriose-Liga aufgenommen wurde. Er ist auch Autor des Buches "Endometriose - Die verkannte Frauenkrankheit!?"

Foto: LKH Villach

derStandard.at: Handelt es sich bei der Endometriose um eine verkannte Frauenkrankheit?

Keckstein: Definitiv ja, die Endometriose wurde über Jahrhunderte nicht wirklich wahrgenommen. Und das obwohl es interessanterweise schon vor 150 Jahren sehr ausführliche Publikationen in der österreichischen und deutschen Literatur gegeben hat. Das Problem: Die Regelblutung und der Schmerz als Hauptsymptom führen immer wieder zum Glauben, dass es doch etwas Normales sei. Was nicht heißt, dass jede Frau mit Schmerzen Endometriose hat. 70 Prozent der Frauen haben hie und da einen Regelschmerz. Es kommt also zu einem kollektiven Wegschauen von Ärzten, Müttern und auch Schulärzten.

derStandard.at: Warum dauert der Weg zur Diagnose meist mehrere Jahre?

Keckstein: Bis dato gibt es kein Verfahren, das es möglich macht, die Endometriose ohne Operation sicher nachzuweisen beziehungsweise auszuschließen. Junge Mädchen leiden nicht selten an Menstruationsbeschwerden und suchen aus diesem Grund den Frauenarzt auf. Die verschriebene Anti-Baby-Pille wirkt gut gegen Regelbeschwerden. Damit werden relativ früh Symptome beseitigt, aber nicht die Krankheit. Setzen die Frauen die Pille ab, bekommen sie plötzlich Schmerzen und man weiß nicht, woher die Beschwerden kommen.

derStandard.at: Beginnt die Endometriose erst im gebärfähigen Alter oder gibt es frühe Symptome schon im Kindesalter?

Keckstein: Es gibt Hinweise, dass junge Mädchen nach Einsetzen der ersten Periodenblutungen bereits Endometriose haben können. Prinzipiell sollten jedoch diese Mädchen nicht stigmatisiert werden, sondern regelmäßig vom Gynäkologen weiter beobachet und betreut werden. 

derStandard.at: Was ist die plausibelste Erklärung zur Entstehung der Endometriose?

Keckstein: Es gibt drei wichtige Theorien für die Entstehung dieser Erkrankung. Die Schleimhaut in der Gebärmutterhöhle gelangt durch bisher nicht geklärte Vorgänge in die Bauchhöhle und wächst dort an. Die Gebärmutter ist ein Muskel, der sich insbesondere bei der Menstruation und bei Eisprung sehr stark zusammenzieht. Hier werden Mechanismen vermutet, die zu einer "Transplantation" der Schleimhautinseln führt.

derStandard.at: Der Hauptrisikofaktor ist also die Menstruation?

Keckstein: Es ist nicht die Menstruation alleine, sondern die Störung der Gebärmutterfunktion über die jetzt sehr intensiv geforscht wird. Die Gebärmutterkontraktionen scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Diese werden durch Hormone und andere Faktoren stark beeinflusst. 

derStandard.at: Das heißt es gibt auch psychosomatische Ursachen?

Keckstein: Die psychosomatische Komponente könnte dabei eine Rolle spielen. Es handelt sich dabei sicher um ein multifaktorielles Problem.

derStandard.at: Sie haben noch von weiteren Theorien gesprochen?

Keckstein: Eine zweite Theorie besagt, dass eine genetische Disposition besteht, das heißt, dass also schon Zellen existieren, die sich in Endometriose "umwandeln" können. Eine andere wichtige Theorie ist auch, dass der Körper versprengte Zellen nicht beseitigen kann und diese dann zu Endometrioseherden führen.

derStandard.at: Wann geht der Arzt davon aus, dass es tatsächlich Endometriose ist? Wann werden Untersuchungen eingeleitet?

Keckstein: Wenn eine Frau extreme Schmerzen und beziehungsweise oder begleitend starke Kreislaufprobleme während der Menstruation und deshalb höhere Dosen Schmerzmittel benötigt, dann ist das für mich nicht normal. Es gibt sonst keine einzige Erkrankung, wo man sagt der Schmerz ist normal. Warum dann bei der Menstruation?

derStandard.at: Wie wird diagnostiziert und behandelt?

Keckstein: Primär muss die Patientin gründlich nach ihren Symptomen befragt werden. Durch eine genaue Untersuchung, die Tastbefund und Ultraschall inkludiert, können zwingende Hinweise für eine Endometriose gefunden werden. Die exakte Diagnose kann allerdings erst mit Hilfe einer Bauchspiegelung gestellt werden. Zur Behandlung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Leider gibt es aber noch keine kausale Therapie.

Die operative Beseitigung ist jedoch derzeit das wichtigste Therapieverfahren. Durch die minimal-invasive Chirurgie gelingt es in vielen Fällen die Endometriose weitgehend zu entfernen und damit die Lebensqualität der Patientin zu verbessern.

Im Zentrum in Villach werden pro Jahr hunderte Patientinnen operiert. Viele davon wurden schon einige Male voroperiert. Die Spezialabteilung beschäftigt sich insbesondere mit problematischen Fällen und berät Fachärzte wie Patientinnen.

derStandard.at: Kann die Endometriose wieder nachwachsen?

Keckstein: Endometriose kann nachwachsen, muss aber nicht.

derStandard.at: Können sich die Herde auch weiterverbreiten?

Keckstein: Die Herde können sich über den Blutweg und die Lymphe auch in Regionen verbreiten, die vom Bauchraum weiter entfernt sind. Das sind aber ganz seltene Fälle. Am häufigsten ist die Endometriose im Bauchraum verstreut. Die Endometriose, in der Tiefe des Besckens, kann natürlich Darm, Harnleiter Blase und Scheide befallen.

Die verschiedenen Lokalisationen der Endometriose führen zu unterschiedlichen Symptomen. Die Frauen leiden unter starken Blähungen, Blut im Stuhl, Schleimabsonderungen und Schmerzen beim Stuhlgang. Beschwerden beim Geschlechtsverkehr oder bei der Entleerung der Blase können ebenfalls durch die Endometriose hervorgerufen werden. Treten diese Beschwerden gleichzeitig mit der Menstruation auf, ist der dringende Verdacht auf Endometriose gegeben.

derStandard.at: Gibt es dafür entsprechende Untersuchungen?

Keckstein: Wichtig ist hierbei eine sorgfältige gynäkologische Untersuchung durchzuführen. Durch eine ganaue Ultraschalluntersuchung gelingt es auch Herde in der Blase und im Darm sicher zu diagnostizieren. 

derStandard.at: Es sind ja eigentlich gutartige, chronische Wucherungen, können die auch bösartig werden?

Keckstein: Die Endometriose ist gutartig, aber gemein. Das Risiko für bösartige Wucherungen ist aber äußerst gering.

derStandard.at: Wie ist der Zusammenhang mit Kinderlosigkeit?

Keckstein: Das ist auch ein Symptom. 50 Prozent der Frauen, die ungewollt nicht schwanger werden, haben Endometriose. Ob die Endometriose aber immer die einzige Ursache ist, kann nur durch weitergehende Untersuchungen geklärt werden.

derStandard.at: Kann man komplementärmedizinisch etwas machen?

Keckstein: Ja, bei allen chronischen Schmerzzuständen ist die Komplementärmedizin wichtig. TCM, Homöopathie, Osteopathie, spielen eine große Rolle - man lernt mit Schmerz umzugehen, Lebensplanung und richtige Ernährung. Man konnte bisher nicht nachweisen, dass die Erkrankung damit weggeht, aber die Frauen kommen mit den Schmerzen besser klar. Und wahrscheinlich wird die Endometriose dann ruhiger gehalten. Das hat eine zusätzliche psychosomatische Komponente. Wir haben am Zentrum auch speziell geschulte Psychologen, was auch sehr wichtig für die betroffenen Frauen ist. (Marietta Türk, derStandard.at, 17.3.2009)