Bild nicht mehr verfügbar.

Kinder lernen von Gleichaltrigen, das gilt auch für den Spracherwerb. In den geplanten Vorschulklassen wäre dies nicht mehr gegeben, gegen Kritiker des neuen Wiener Fördermodells zu bedenken.

Foto: Standard/Getty

Wien - Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, werden ab kommendem Schuljahr in Wien in eigenen Vorschulklassen unterrichtet. So sieht es das "1+1" -Fördermodell der Stadt vor. Für Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SP) schafft dieses "0. Schuljahr" bessere Chance für den weiteren Bildungsweg der Schüler und Schülerinnen.

Kritiker sprechen hingegen von Segregation und Stigmatisierung der Kinder. Auch bei Pädagogen und Pädagoginnen stößt das Modell auf Unmut. In mehreren Briefen, die dem Standard vorliegen, appellieren diese an Bürgermeister Michael Häupl (SP) die "segregierende Beschulung" zu unterbinden. Man sei "über die geplanten Entwicklungen entsetzt und verärgert" . An manchen Schulen würden "Sprachklassen" entstehen, der Grundgedanke des integrativen Unterrichts von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache bliebe dabei auf der Strecke.

Derzeit werden Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen von Begleitlehrern und muttersprachlichen Lehrern in der Klasse betreut, zusätzlich gibt es eigene Sprachförderkurse mit bis zu elf Wochenstunden.

Keine soziale Durchmischung

Den Vorwurf, in Schulen mit hohem Anteil an Kindern, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, würde in der Folge die soziale Durchmischung nicht mehr funktionieren, lässt Brandsteidl im Gespräch mit dem Standard nicht gelten. "In Bezirken wie dem 15., wo an manchen Schulen 98 Prozent der Kinder Migrationshintergrund haben, ist auch jetzt bereits keine soziale Durchmischung mehr möglich." Das funktioniere nur über Wohnpolitik. Außerdem würden in den Vorschulkassen nicht nur Kinder mit Sprachproblemen unterrichtet, sondern auch jene, die etwa aus motorischen oder sozialen Gründen noch nicht reif für die 1. Klasse seien.

In Wien wurde im Zuge des "1+1" -Modells die Schuleinschreibung um ein Jahr vorverlegt, ein allfälliger Förderbedarf wurde bereits im letzten Kindergartenjahr erhoben. Von insgesamt 14.300 Kindern zeigten 3500 Defizite. Davon lagen diese bei 3000 im sprachlichen Bereich. Wird bei den Einschreibungen zwischen April und Mai 2009 weiterhin Sprachförderbedarf festgestellt, kommen die Kinder in Vorschulklassen.

"Vom sozialen Standpunkt aus stigmatisiert man die Kinder" , sagt die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou, "und linguistisch gesehen ist eine Separation kontraproduktiv." Vassilakous Forderung: verpflichtender Kindergartenbesuch ab drei Jahren

"Damit erfüllt die SPÖ eine langjährige Forderung der Freiheitlichen nach ,Ausländerklassen‘" , sagt Susanne Jerusalem, die Bildungssprecherin der Wiener Grünen. Tatsächlich hat die SPÖ noch im Mai 2007 die von der FPÖ geforderten eigenen Klassen für Schulanfänger mit mangelnden Deutschkenntnissen abgelehnt. "Ghettoklassen" seien keine Lösung, Kinder würden schnell voneinander und gemeinsam lernen, auch die Sprache, hieß es damals.(Bettina Fernsebner-Kokert/DER STANDARD Printausgabe, 10. März 2009)