Die Reparatur der US-Beziehungen zur Türkei steht auf der Prioritätenliste von Barack Obama also ganz oben, bereits im April will er den entfremdeten Nato-Partner besuchen. Mit gutem Grund: Der Antiamerikanismus ist in der Türkei in der Amtszeit George Bushs unverhältnismäßig gestiegen, in Chat-Foren loben die jungen Türken den Iran und dessen mutmaßliches Streben nach Atomwaffen. Die Szene, die Premier Recep Tayyip Erdogan in Davos hinlegte, als er aus einer Diskussion mit Israels Präsident Shimon Peres wütend davonstürmte, ließ Zweifel laut werden, ob die Türkei für den Westen überhaupt noch zu retten sei.

Es ist richtig, dass die Türkei in einer Revision ihrer jahrzehntelangen Araber-Abstinenzpolitik heute viel mehr nach Osten schaut. Das macht sie für den neuen US-Präsidenten umso interessanter. So haben die Türken eine funktionierende Gesprächsbasis mit Syrien. Aber sie kennen auch die Iraner gut. Als dritter Spieler neben Israel und Iran im regionalen Hegemonialmatch wäre es eine Katastrophe für die USA, sollten sie sich wirklich vom Westen abwenden.

Aber auch das türkische Interesse an guten Beziehungen ist groß, und nur ein Grund dafür ist der Irak: 2003 führte die Weigerung der Türkei, ihr Territorium für einen US-Aufmarsch gegen den Irak zur Verfügung zu stellen, zum Bruch. Heute ziehen die USA zum Teil über die Türkei ab - und werden gleichzeitig von Ankara fast flehentlich gebeten, das nicht zu schnell zu tun: Bei schwindendem US-Einfluss und einer neuerlichen Destabilisierung würde der türkische Albtraum eines Kurdenstaats im Nordirak wahrscheinlicher. (Gudrun Harrer/DER STANDARD; Printausgabe, 10.03.2009)