Grafik: STANDARD

Wien - Auf die Tourismusbranche kommen weltweit harte Zeiten zu. Das geht aus einer knapp vor Beginn der weltgrößten Tourismusmesse (ITB vom 11. bis 15. März in Berlin) fertig gewordenen Studie hervor, die das Beratungsunternehmen A. D. Little unter der Überschrift "Erlebnis, Individualität, Emotion - das Ende der Pauschalreise" herausgegeben hat.
"Urlaub von der Stange hat ausgedient" , sagte der Österreich-Chef des Unternehmens, Stefan Höffinger, dem Standard. Der Trend weg von der Pauschalreise hin zu individuelleren Formen des Urlaubmachens sei tiefliegend. Selbst die aktuelle Wirtschaftskrise ändere daran nichts. "Der Strukturwandel wird noch eher beschleunigt" , sagte Höffinger.
Noch in den 1970er-Jahren war die Pauschalreise der Inbegriff des Reisens schlechthin. Urlaub mit Transfer, Hotel und Essen - das war das, was die Touristen mehrheitlich buchten. 1990 war der Zenit überschritten, seit 2000 geht es mit dem klassischen Urlaub von der Stange bergab. Entfielen im Jahr 2000 noch 49 Prozent der gesamten Reisen auf das Pauschalsegment, werden es laut der Studie von A. D. Little 2015 nur mehr 35 Prozent sein - Tendenz weiter fallend.

Segment Dynamic Packaging

Stark wachsen wird stattdessen das Segment Dynamic Packaging, worunter man das auf individuelle Vorlieben Rücksicht nehmende Zusammenstellen von Urlaubspaketen versteht. Dessen Anteil dürfte sich innerhalb von 15 Jahren auf 30 Prozent verfünffachen (siehe Grafik). Der Anteil der Reisenden, die ohne Unterstützung eines Reisebüros buchen, wird im längerfristigen Trend hingegen leicht schrumpfen und 2015 auf rund 35 Prozent zu liegen kommen.
Branche schlecht vorbereitet
Die meisten Tourismusunternehmen reagierten falsch auf die Wirtschaftskrise, konstatierte Höffinger. Kostensenkung sei zur Zeit das große Thema. Doch damit sei es nicht getan, zumal die Mitarbeiter in der Tourismusindustrie "nicht zu den Top-Verdienern im Quervergleich" gehörten.
Viel wichtiger sei es zu klären, wie und mit welchen Mitteln man die Reisenden 2015 oder 2020 abholen kann. Diese würden viel heterogenere Bedürfnisse an den Tag legen als man sich das heute vorstellen könne, sagte Höffinger. Doch darauf wüssten die meisten Player in Österreich noch keine Antwort; viele hätten sich die Frage gar noch nicht gestellt.
Höffinger sieht durch den Trend zu mehr Individualität eine Herausforderung für alle klassischen Geschäftsmodelle, egal ob es sich um Reiseveranstalter, Reisebüros, Flughäfen oder die Hotellerie handle.

Langfristige Daseinsberechtigung

Weniger dramatisch sieht Verkehrsbüro-Vorstand Norbert Draskovits, der auch Präsident des Österreichischen Reisebüroverbands ist, die Entwicklung. Pauschalreisen gingen zwar zurück, hätten aber auch langfristig eine Daseinsberechtigung. Klar sei aber auch, dass Reisebüro-Mitarbeiter noch besser geschult werden müssten, um auf die Kundenwünsche genauer eingehen zu können.(Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.3.2009)