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Duell im tiefen Winter: Simon Keenlyside als Onegin und Ramón Vargas als Lenski in der Tschaikowsky-Premiere an der Wiener Staatsoper.

 

 

Foto: APA/Techt

Vor allem, wenn Falk Richter die Inszenierung völlig in den Sand setzt.


Wien - Es ist ein rechter Jammer, dass man sich mit dem inszenatorischen Blödsinn, mit dem man halt auch auf der Staatsopernbühne mitunter konfrontiert wird, mit besonderer Ausführlichkeit auseinandersetzen muss.

Es geht aber nicht anders. Vor allem, wenn Regisseur Falk Richter die Anfangsszene des Eugen Onegin, in der die Knechte und Mägde auf einem russischen Landgut singend von der Ernte heimkehren, bei dichtem Schneefall spielen lässt, der fast die ganze Aufführung hindurch anhält, und der Titelheld obendrein auch noch in eine Schneeballschlacht gerät.

Bei den dort offenbar herrschenden niedrigen Außentemperaturen wird der Rat der Amme, Tatjana möge, weil es in ihrem Eiswürfel-Ambiente (Bühne: Katrin Hoffmann) angeblich so schwül ist, das Fenster öffnen, geradezu zur gesundheitlichen Gefährdung.

Zum Glück tut sie es nicht, sonst hätte sich dieser meteorologische Unbill möglicherweise auf Tatjanas Stimme geschlagen, wodurch die folgende Briefszene gefährdet gewesen wäre.

Mit diesem szenischen Winter ist offenbar der in der Seele des Titelhelden herrschende Frost gemeint. Doch diese subtile psychische Wandlung, die Onegin Tatjanas Liebe zunächst zurückweisen und dann, als es zu spät ist und sie mit dem Fürsten Gremin verheiratet ist, vergeblich um diese betteln lassen, wäre auch mit sensibleren Mitteln als mit diesem szenischen Holzhammer darstellbar gewesen.

Doch Sensibilität scheint offenbar nicht die Sache dieses Regisseurs zu sein. Vor allem zu Beginn hat man den Eindruck, eine konzertante Aufführung von Peter I. Tschaikowskys "Lyrischen Szenen", wie er seinen Eugen Onegin nennt, sollte durch grobschlächtige szenische Interventionen und tollpatschige Akrobatik belebt, um nicht zu sagen, gestört werden.


Polonaise im Schneckentempo

Dass die Polonaise im Schlussbild nicht mehr getanzt wird und die Musik für diese vollkommen ins Leere geht, zählt heute zwar schon zum Knigge der Opernregie. Wenn diese allerdings durch eine sich im Schneckentempo über eine Monstertreppe herunterkriechende Gruppe von völlig gleichgekleideten Paaren ersetzt wird, sind die Grenzen der szenischen Öde beinah schon überschritten.

Und wenn der Regisseur die nicht unbedingt gazellengleiche Tatjana dann im Schlussbild nach ihrem Abschied von Onegin über diese hohen Stufen auch noch hinaufjagt, treffen beabsichtigte Tragik und unfreiwillige Komik ziemlich hart aufeinander.

Zum Glück kann eine Inszenierung nicht töricht genug sein, als dass sie durch die gelungene musikalische Wiedergabe nicht doch erträglich werden kann.

Mit Seiji Ozawa am Pult und dank zweier Großmeister (Simon als Onegin und Ramón Vargas als Lenski) und einem insgesamt firmen Ensemble ist dies auch gelungen.

Mit dem Rest, den die Philharmoniker übrigließen, als sie auf ihre zurzeit absolvierte Tournee gingen, hat alle zwischen Manie und Depression facettenreich changierenden Emotionsbereiche aufklingen lassen und so ein sicheres und außerdem auch über symphonische Qualitäten verfügendes Fundament für sängerische Brillanz geschaffen.

Allen voran ist Ramón Vargas zu nennen, dessen in allen Stimmlagen einheitlich timbrierter Tenor seinem Lenski die für diese Gestalt nötige Gefühlsintensität gab.

Simon Keenlyside als Titelgestalt vermochte seine Mutation vom kühlen Gemeinschaftsmenschen zum innig Liebenden gestisch recht gut glaubhaft zu machen und wusste seinen farbenreichen Bariton wirksam einzusetzen.

Auch Tamar Iveri stattete ihre Tatjana mit den Vorzügen ihres vor allem in den Höhen leuchtenden Soprans aus. Doch um in dieser Inszenierung glaubwürdig zu erscheinen, fehlt ihr noch die nötige szenische Energie. Ain Angers jugendlich wirkender Gremin klang in den Tiefen etwas dünn. Mit Aura Twarowska als Larina und Margareta Hintermeier als Filipjewna waren die kleineren Partien seriös besetzt. Nadia Krastiva als Olga glich eher einer Musette aus der Carmen.

Das Publikum reagierte mit viel Applaus für Seiji Ozawa und die Sänger und mit berechtigten Protesten gegen die Inszenierung. (Peter Vujica / DER STANDARD, Printausgabe, 9.3.2009)