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Einstweilen lassen die Österreicher sich den Appetit von der Rezession nicht vermiesen.

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Wien - Innenstadt, Mittwochabend: Der "Plachutta" in der Wollzeile ist wie üblich bis auf den letzten Platz besetzt. An so gut wie jedem Tisch fischen sich die Gäste große Brocken vom Siedefleisch aus den Kupfertöpfen. Die Wirtschaftskrise, so scheint es, lassen sie sich hier richtig schmecken. Szenewechsel ins "ON", wo ein kreativer Chinese in einer dunklen Gasse in Wien-Margareten aufkocht. Auch hier: brodelnde Geschäftigkeit, vollbesetzte Tische, die animierende Soundkulisse eines angesagten Restaurants. Ohne Reservierung gibt es nur einen Katzentisch in Küchennähe.

Im hochnoblen Restaurant des Meinl am Graben, wo Hauptspeisen unter 34 Euro nicht zu haben sind, ist auch kein Tisch frei. "Ein bisschen schwächer ist der Andrang schon", erklärt Küchenchef Joachim Gradwohl, "zu Wochenanfang sind wir nicht immer ausreserviert - aber im Lauf des Abends füllt es sich dann doch." Auf eine Prognose, wie stark das wohl luxuriöseste Restaurant der Stadt von der Krise getroffen wird, will er sich - noch - nicht einlassen: "Jänner und Februar sind die schwächsten Monate für die Gastronomie. Es ist noch etwas früh, um einen Trend zu erkennen."

Anderswo ist man weniger vorsichtig. Ezra Jakobi, der in der Rotenturmstraße einen für seine Kebabs gerühmten Grill-Imbiss betreibt: "Wir haben deutliche Einbrüche. Dezember war sehr gut, seit Neujahr geht es steil bergab." Wobei es keineswegs Stammkunden sind, die Jakobi im Stich lassen: "Die Touristen sind plötzlich weg. Da geht es nicht um prozentuelle Rückgänge - die sind einfach alle weg." Hotels bestätigen den massiven Einbruch, wenn auch hinter vorgehaltener Hand: Etliche Viersternehotels sind nicht einmal zu zehn Prozent ausgelastet - bislang waren 50 bis 60 Prozent in dieser Jahreszeit selbstverständlich. Das gemahnt an Zustände wie in der Tourismus-Welthauptstadt Paris, wo die Krise dramatische Konsequenzen zeitigt. Das Luxushotel "George V" etwa hat kurzerhand zwei Stockwerke geschlossen, um Kosten zu sparen (siehe auch die Berichte der Korrespondenten).

Keine Krisenstimmung

"Bei uns gibt es keine allgemeine Krisenstimmung", betont dagegen Helmut Hinterleitner, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer. Zwar werde die Krise auch in der Gastronomie ankommen, derzeit herrsche aber Optimismus vor. "Die Hälfte unserer Mitglieder sieht die Entwicklungen der kommenden Monate positiv." Sind Schließungen wie bei den Haubenrestaurants "Das Turm", "Mörwald Ambassador" oder "Mezzo" demnach Einzelfälle, bei denen individuelle Schwachstellen oder Standortprobleme ausschlaggebend waren und die Rezession bloß der Auslöser war? Oder ist das erst der Anfang?

Wolfgang Rosam, Falstaff-Herausgeber, ist überzeugt, dass "leider Blut fließen wird". Bei der Präsentation seines neuen Guide am kommenden Montag wird Sophie Karmasin eine ziemlich ernüchternde Studie zur Stimmungslage präsentieren. Rosam: "Alle sparen. Die Leute gehen weniger weg, Business-Kunden schrauben beim Anspruch deutlich zurück, das Antikorruptionsgesetz sorgt für Kahlschläge bei den Spesenausgaben."

Die Strategien, mit denen die Branche der Krise beikommen will, sind ziemlich unterschiedlich. Starkoch Walter Eselböck etwa, der seinen "Taubenkobel" gerade erst aus dem Winterschlaf geholt hat, sperrt nun auch wochentags zu Mittag auf: "Wir bieten Donnerstag und Freitag drei Gänge um 29 Euro." Für sein Restaurant ein außerordentlich günstiger Preis - allerdings dürfe man sich dafür keine "große Oper" im Taubenkobel-Stil erwarten: "Wir kochen auf hohem Niveau, aber Gerichte, die sich auch mit reduzierter Mannschaft bewältigen lassen."

Innovationen

Max Stiegl vom nahen "Gut Purbach" setzt auf innovative Komplett-Arrangements, mit der er seine Kundschaft - vornehmlich Selbstständige aus dem Kreativ-Umfeld - an den Neusiedler See locken will: "Wir organisieren Wochenenden mit Segeltörn, Kochkurs und Übernachtung am Gut, bei denen alles inklusive ist. So lassen sich die Kosten für die Gäste besser einschätzen."

Spannend ist die Idee, die sich Robert Hollmann für seinen "Salon" im Heiligenkreuzer Hof ausgedacht hat: Seit vergangener Woche nimmt er für das Mittagsmenü in seinem Haubenrestaurant nur noch "so viel die Gäste gerne geben". Zahlen, so viel (oder so wenig) man will? Das hat sich schnell herumgesprochen, der Andrang ist entsprechend. Dass er damit längerfristig Verlust macht, glaubt Hollmann nicht: "Bisher sind wir eindeutig im grünen Bereich." (Severin Corti, DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.3.2009)