IFPI-Präsident Hannes Ede

Foto: IFPI Austria

Die konstant zurückgehenden Umsatzzahlen im Musikverkauf bedeuten nicht, dass mit Musik heutzutage kein Geld mehr gemacht werden kann. "Es gibt eine Verlagerung hin zu Merchandising, Live-Konzerten und License Deals. Wenn man das alles zusammenrechnet, bleibt der Musikmarkt gleich groß, beziehungsweise kann sogar weiterwachsen", schilderte IFPI-Präsident Hannes Eder im Gespräch. In welche Richtungen dieses Wachstum gehen könnte, und wie sich der Umgang der Musikindustrie mit dem Internet gewandelt hat, darüber sprachen Eder und IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch mit der APA.

Kampagne

Obwohl der Verband der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) derzeit eine Image-Kampagne für die mit einbrechenden Verkäufen konfrontierte CD führt, sind die Unternehmen längst am Ende eines Umdenkprozesses angekommen. Und da ist die CD nur mehr ein Produkt von vielen. "Wir verstehen uns nicht mehr als die Tonträgerindustrie, sondern längst als Entertainment Companies", sagt Eder. "Was wir verkaufen, ist ein emotionales Produkt, im Endeffekt ist es egal, ob das als Callback-Ton daherkommt oder als T-Shirt, Rucksack oder als komplett downgeloadetes Album auf mein Handy", sagt Eder.

Relativ

Der Universal-Chef "relativiert" auch die negative Marktentwicklung. Denn der Musikmarkt sinke zwar im Vergleich mit den vergangenen Jahren, im langjährigen Gesamtbild steht er aber nicht so schlecht da: "Die Entwicklung des Musikmarktes wird immer mit dem Vorjahr verglichen. Als die illegalen Downloads eingesetzt haben, war jedoch zuvor generell eine absolute Hochblütezeit für die Musikindustrie", so Eder, u.a. deshalb, weil sich viele Konsumenten ihre Sammlung alter LPs auf CD neu gekauft haben. Daher sieht der Markt im Vergleich relativ schlecht aus. "Würde man die Zahlen jenen von 1980 gegenüberstellen, sehe die Diskrepanz ganz anders aus", betont Eder.

Sowohl Eder als auch Medwenitsch verweisen auf die "positiven Signale", die sich in den Musikmarktzahlen finden: "Es gibt neue Möglichkeiten in neuen Geschäftsmodellen, und dort durchaus erfreuliche, positive Wachstumszahlen", so Eder zum Mobile-, Online- und Gamesmarkt. Dass Österreich im Vergleich hinter den Wachstumszahlen im digitalen Bereich zurückbleibt (in Österreich wuchs dieses Segment um 14 Prozent, international um 25 Prozent), "hat mit einem lokalen Mangel an Angeboten zu tun. Hemmnisse waren erstmal die geringe Kreditkartendichte, die anfangs die einzige Zahlungsmöglichkeit war und alle Unter-18-Jährige ausschließt. Und es gibt bis heute keinen echten Competitor für iTunes", so Eder.

Interesse

"Das Interesse an Musik und damit auch die Nachfrage der Konsumenten steigen. Das ist eine gute Nachricht", sagt auch Medwenitsch. Doch wie man dieses Interesse wieder vermehrt in Verkäufe umsetzen kann, darüber muss derzeit noch nachgedacht werden. "Immer mehr Budget und Ressourcen gehen in die Arbeit an Zukunftsmodellen", sagt Eder. Es gibt heute "einen viel diversifizierteren Anspruch des Konsumenten. Wir wissen vielleicht erst 25 bis 30 Prozent davon, welche zugeschnittenen Angebote sich diese herausbildenden Einzelgruppen eigentlich noch gerne wünschen würden", sagt Eder.

"Es ist nur eine Frage der Zeit bis der Turnaround geschafft ist", meint Medwenitsch. "Der Musikmarkt wandelt sich von einem physischen Markt zu einem Lizenzmarkt. Wie schnell das geht, kann niemand sagen."

Lizenz

Viel Überlegungsarbeit geht u.a. in Lizenzen für Computerspiele wie "Guitar Hero", bei denen die Spieler in die Rolle eines Rockstars schlüpfen können, und in neue Wege, wie Musik über Online-Plattformen abgerufen werden kann. Oder auch in pauschale Bezahlungssysteme, bei denen "mehrere Millionen Titel gegen eine monatliche Pauschale lizenziert werden, die der (Internet-, Anm.)Provider in seine Gebühr einrechnet", erläutert Medwenitsch. "An solchen Modellen wird in verschiedenen Ländern gearbeitet. Wir dürfen verraten: in Österreich auch. Uns interessiert bei diesem Modell eines: Können wir neue Kundengruppen gewinnen, wenn die preisliche Einstiegsschwelle für den Internet-Musikkonsum noch weiter gesenkt wird?" Welche neuartigen Angebote angenommen würde, könne nur "durch Trial and Error" herausgefunden werden, so Medwenitsch: "Letztlich trifft der Konsument die Entscheidung, der Kunde ist immer König." Dass der Kunde wirklich König ist, diesen Eindruck haben viele Musik-Konsumenten in den vergangenen Jahren nicht gehabt, geht man von den stark negativen Online-Reaktionen auf die Klagen der Musikindustrie gegen Downloader aus. "Das Feindbild Musikindustrie wird in gewissen Kreisen immer wieder gerne hervorgeholt. Wir sind das gewohnt und können damit auch umgehen", sagt Hannes Eder.

"Klagen und Gerichtsurteile sind nicht der Weisheit letzter Schluss"

"Wir sind gegen Einzelne vorgegangen, bei denen nachweislich klar war, dass sie eine größere Anzahl von Songs illegal über das Internet verbreitet haben", sagt auch Medwenitsch. Aber "Klagen und Gerichtsurteile sind nicht der Weisheit letzter Schluss". Im Kampf gegen illegale Downloads geht es "um eine Veränderung des Verhaltens und um mehr Bewusstsein für den Schutz geistigen Eigentums", so Medwenitsch.

Doch auch eine neue Initiative der Musikindustrie im Kampf gegen das illegale Downloaden von Musik sorgt für Aufregung. Nach dem sogenannten "Three Strikes Out"-Modell, das u.a. in Frankreich und Großbritannien erprobt wird, soll Nutzern, die wiederholt Urheberrechtsverletzungen begehen, nach mehreren Verwarnungen der Internet-Anschluss gekappt werden. Kritiker sehen darin einen Türöffner für Internetüberwachung bis hin zu einer Einschränkung der Grundrechte. Doch Medwenitsch betont entgegen zahlreichen Medienberichten, dass der Provider nicht die Internetaktivitäten seiner Kunden überwachen muss, wie von vielen befürchtet.

"Three Strikes Out"

"Das Totschlagargument, wonach die Provider dann das Internet überwachen müssten, ist völlig falsch. Sie müssen nur reagieren, wenn sie eine formelle Mitteilung über ein illegales Angebot erhalten", so Medwenitsch. Die Aufgabe der Recherche von Urheberrechtsverletzungen liege bei den Rechteinhabern. Im "Three Strikes Out"-Modell gehe man nach dem Motto vor, "Lieber eine temporäre Sperre des Internet-Accounts nach mehrmaliger Warnung, als eine gerichtliche Strafe." Außerdem bleibe "der Name des Users dabei geheim". Dem Provider wird nur die sogenannte IP-Adresse desjenigen mitgeteilt, der Urheberrecht verletze. Welche Person hinter dieser IP-Adresse stehe, darüber müsse der Provider, der der betreffenden Person dann die Verwarnungen schickt, keine Auskunft geben. Das Konzept sei ohnehin "nur möglich, wenn es klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine staatliche Aufsicht gibt, auch aus Gründen des Datenschutzes", so Medwenitsch.

Im Umgang mit den neuen Gefahren, aber auch Chancen, die dem Musikbusiness durch das Internet erwachsen sind, habe es Versäumnisse gegeben. "Anfangs hat man die Möglichkeiten der Digitalisierung von Musik nur sehr begrenzt durchschaut und unterschätzt", sagt Eder. "Man ist nicht proaktiv in Angebote hineingegangen, sondern von etwas überrollt worden, das man den unkontrollierbaren Demokratisierungsschub des Internets nennen könnte."

Reife

Doch nun "gibt es Anzeichen, dass die Marktveränderung hin zu digitalen Musikangeboten greift", so Medwenitsch. "Mittlerweile ist die Branche auch umgeschwenkt und bietet ein zunehmend größeres Repertoire DRM-frei im Mp3-Format an. Das alles sind Entwicklungen, die in die richtige Richtung zeigen."

Was das Jahr 2009 aufgrund der Finanzkrise für Musikbusiness bringen wird, könne man noch nicht sagen, so Eder. Aber "weder im Weihnachtsgeschäft noch bisher 2009 ist die Tendenz so, dass man davon ausgehen muss, dass es zum Crash kommt." Die Musikindustrie sei jedenfalls gerüstet: "Wir haben einen hochturbulenten Prozess durchgemacht und stehen heute besser da als viele andere Sektoren, die diesen Reformprozess noch vor sich haben. Wir kennen das seit neun Jahren und brauchen uns jetzt nicht großartig umstellen." (APA)