1999 Entstehung der großen Modekonglomerate

Wolfgang Joop: Identische Geschäfte mit identischen Produkten schossen in dieser Zeit wie Starbucks-Cafés in die Höhe. Luxus ist durch diese Entwicklung zu einer McLuxury verkommen.Das Motto dieser Zeit: Ich shoppe, also lebe ich.

Stephan Hilpold: Das Diktat zweistelliger Zuwachsraten hat den Luxusmarkt profanisiert. Das Marketing wurde wichtiger als das Design. Der gewichtigste Kollateralschaden aus dieser Zeit: das Verschwinden Helmut Langs, der sein Label 1999 an Prada verkaufte.

 

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2000 It-Bags

Joop: Eine It-Bag beschreibt einen ganz bestimmten Zeitpunkt. Wie eine Fessel bindet sie den Träger an diesen Moment. Sie ist eine Falle, in der erkennbar wird, dass man den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, die It-Bag wieder loszuwerden.

Hilpold: Am besten, man streicht das Präfix It- ganz aus dem Vokabular der Modewelt. Es beschreibt die peinlichsten Entwicklungen der vergangenen Jahre: überteuerte Taschen und Mädels, die hysterische Kleiderständer spielen. Jetzt gibt es auch It-Schuhe. Am besten gleich wieder vergessen.

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2001 Vintage-Mode

Joop: Ich gehöre zur Generation, die den Flohmarkt entdeckt hat. Das war in den späten 60ern und frühen 70ern und eine sehr dekadente, morbide Antwort auf den modischen Mainstream. Als Julia Roberts 2001 bei den Oscars ein Vintage-Valentino-Kleid trug, ging das in eine andere Richtung. Es sah beinahe großbürgerlich aus, weil Valentino immer den Jackie-O.-Stil hatte, der immer neu aussah.

Hilpold: Die Jugend, die nicht erwachsen werden wollte, trug Taschen von untergegangenen Fluglinien und Windjacken in 70er-Jahre-Farben. So gut hatten die eigenen Eltern nie ausgesehen. Nach zwei, drei Jahren war der charmante Spuk vorbei, leider haben das einige immer noch nicht verstanden.

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2002 Hedi Slimane: Designer des Jahres

Joop: Slimanes Dior-Homme-Mode war sehr erfrischend. Endlich gab es einen androgynen Gegenentwurf zum Zwiebellook des Yohji Yamamoto, diesem "All-in-black"-Art-Director-Look. Wim Wenders for ever. Jetzt hatten auch die Jungs ihren Heroin-Chic.

Hilpold: Sich bei Dior in Paris in die engen Jacketts zu quälen war ernüchternd. So dünn konnte man nicht sein, um darin Platz zu finden. Trotzdem: Der Look war großartig. Aus Vorstadtlämmern wurden Rockstars.

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2003 Paris Hilton

Joop: Amerikaner sind Couch-Potatos. Hilton dagegen ist quirlig und mobil. Sie war eine Hoffnungsträgerin, derer, die unter Blondinenwitze litten. Seitdem verwechselt man aber Mode mit einer blonden Damenspende.

Hilpold: Am schlimmsten an Hilton sind die Hilton-Doubles, die über die heimischen Einkaufsstraßen stöckeln. Nur eines haben sie von ihrem Vorbild nicht gelernt: immer schön zu lächeln.

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2004 Lagerfeld für H&M

Joop: Lagerfeld inszenierte sich selbst, und die Produkte waren für jeden zu haben. Das war eine sehr demokratische Sache. Zu Anfang meiner Designkarriere gab es keine Luxus- und keine Billigmode. Heute gibt es den Kick des ganz Billigen und des wirklich Exklusiven. Designkooperationen vermählen die beiden Extreme.

Hilpold: Ein Marketingclou, sowohl für Lagerfeld als auch die schwedische Billigkette. Erstaunlich ist, dass das Modell immer noch funktioniert. Mit schönen Nebeneffekten: Wer nicht wusste, wer Viktor & Rolf sind oder wie man Comme des Garçons schreibt, der weiß es jetzt.

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2005 Rückkehr der Leggings

Joop: Ich mochte Leggings nie. Ich halte mich an Helmut Newton: entweder schwarze Seiden-Strümpfe mit Naht oder nackte Beine. Aber Leggings haben Vorteile: Sie lenken von unförmigen Beinen ab. Und in Kombination mit einem Minirock haben Frauen das Gefühl, die Beine wären bedeckt und fast perfekt.

Hilpold: Am hübschesten sind schöne nackte Beine. Am zweithübschesten sind schöneBeine in Leggings. Wenn die Beine allerdings nicht so hübsch sind, dann sollte man sie weder nackt noch in Leggings zeigen.

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2006 Crocs

Joop: Offen gestanden trage ich sie auch. Ich wohne direkt am See und gehe mit ihnen ins Wasser. Unabhängig davon kombiniere ich sehr gerne sehr Teures mit extrem Billigem. Genauso wie extrem Schickes mit extrem Schlampigem.

Hilpold: Schön ist hässlich, hässlich schön, heißt es im "Macbeth". Der Siegeszug der Plastiklatschen zeigt, dass das auch für uns gilt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Umwertung aller Werte bei den Schuhen ankommt. Als Nächstes sind die Socken dran.

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2007 Magermode-Debatte

Joop: Die Mode sucht Mädchen, die physisch kaum anwesend sind, wir möchten eine Idee zeigen, nicht die Präsenz eines Models. Trotzdem: Die Debatte war an den Haaren herbeigezogen. Mit der Mode im Besonderen hat Anorexie wenig zu tun, sie ist die Folge einer übersexualisierten und materialisierten Gesellschaft. Junge Mädchen und Jungs möchten sich dem Erwachsenenstress entziehen.

Hilpold: Die Mode wirkt wie ein Vergrößerungsglas: Sie nimmt Trends auf und verstärkt sie. Umso erstaunlicher ist, dass die Designer ihre Lektion noch nicht gelernt haben. Heroin-Chic ist nicht mehr chic.

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2008 Ökomode

Joop: Ich denke, die Frage, wie moralisch ein Produkt ist, bleibt modern. Wenn jemand mit einem Bentley vorfährt und der Putzfrau die ausstehenden Honorare bezahlt, dann hat diese Person den Zeitgeist nicht verstanden. Dasselbe denke ich, wenn sich jemand von Kopf bis Fuß in ein bestimmtes Label kleidet, ohne zu wissen, warum.

Hilpold: Der Frage der Nachhaltigkeit kann sich auch die Mode nicht entziehen. Obwohl sie ihr per se fremd ist. Ihren flüchtigen Charakter wird sie deswegen nicht aufgeben. Ab jetzt können wir jede Saison ruhig etwas Neues kaufen - und zwar mit gutem Gewissen. (Der Standard/rondo/06/03/2009)

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