Dirigent Osmo Vänskä (Jahrgang 1953): "Rede viel mit Sponsoren; aber nie über Geld, nur über die Notwendigkeit von Musik."

Foto: Helgeson

Ein Gespräch mit dem Chefdirigenten Osmo Vänskä über seinen Stil und Umgang mit Sponsoren.

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Der Kontrast könnte nicht größer sein: Jener Herr, der in der Stuttgarter Liederhalle mit zuweilen emphatischen Gesten sein Minnesota Orchestra zu hochenergetischem und doch exaktem Spiel animiert (sei es bei George Adams oder bei Sibelius) - eben dieser Osmo Vänskä erweist sich im Gespräch als eher nachdenklicher gestischer Minimalist. Dieser Kontrast allerdings lässt sich bei vielen Dirigenten beobachten. Musik macht wohl extrovertiert im Sinne der Motivation. Und auf Tourneen muss man Zusätzliches geben, um beim Orchester-Kollektiv produktive Spannung zu erzeugen.

Seit 2006 hat man miteinander Erfahrung; seit damals ist der Finne an die 18 Wochen im Jahr in Amerika. "Es war klar für mich: Wenn ich meine Vorstellungen verwirklichen will, muss ich viel dort sein. Mein Angebot war schlicht harte Arbeit. Sechs Musiker verließen dann das Orchester freiwillig. Sie erkannten, dass es Zeit war für sie zu gehen, um Jüngeren Platz zu machen. Ich muss auch zugeben, dass ich einen Musiker gefeuert habe. Allerdings steht in meinem Vertrag, dass ich engagieren und entlassen darf."

Der Orchesteratem


Harte Arbeit bedeutete indes nicht unbedingt mehr Arbeit: "Die Anzahl der verfügbaren Stunden kann man nicht ändern - die ist vertraglich fixiert. Es ging eher um die Art und Weise, wie man probt. Ich bin nicht der Typ, der aufgibt. Ich probe manche Stellen bis zu zwölfmal. Am Ende geht es darum, einen gemeinsamen musikalischen Atem herzustellen, eine Einheit. Oft ist das Problem, dass es innerhalb eines Orchesters unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wie man etwas interpretieren soll. Manchmal sind das sehr insistierende Meinungen. Mein Job ist es, Konsens herzustellen. Wenn ein Orchester wie ein Instrument agiert, wird eine nicht so gute Interpretation besser klingen, als eine gute, die voller Gegensätze ist." Mit "nicht so gut" meint Vänskä allerdings nicht sein Orchester. Mit den euphorischen internationalen Kritiken von New York Times, Londoner Times und FAZ im Rücken formuliert er durchaus selbstbewusst: „Ich glaube, wir sind unter den besten fünf Orchestern Amerikas."

Damit stellt er jene Ordnung in Frage, die seit langem für die Klangkörper aus Cleveland, Chicago, Philadelphia, Boston und New York die ersten Plätze reserviert - jene dahinter seien die "hungrigen Zehn", heißt es. Vänskä schmunzelt: "Jemand hat aber auch gesagt, dass es statt der großen Fünf nun zehn Spitzenorchester gibt. Es hängt ja auch davon ab, wer dirigiert. Und: Alle Orchester haben Höhen und Tiefen. Ich habe in Amerika viel dirigiert, habe meine Erfahrungen gemacht." Seine Top-Five-Liste? "Das kann ich nicht sagen. Zu gefährlich."

Orchester auf Rädern


Diese quasi sportliche Listung ist in der Tat kein zentraler Punkt. Das Minnesota Orchestra, 1903 gegründet und wegen seiner regen Reisetätigkeit einst auch "Orchester auf Rädern" genannt, blickt auf eine lange Geschichte zurück. Es war einer der ersten Klangkörper, die Tonträger herausgaben. „Und wir sind heute fast die einzigen in den USA, die noch im Studio CDs aufnehmen können: bei dem Label BIS." Auch live gibt es auf dem Heimmarkt genug zu tun. Das Orchester gibt an die 200 Konzerte im Jahr und hat mit der Orchestra Hall in Minneapolis eine Wirkungsstätte mit 2400 Sitzplätzen zu betreuen. Auch das Jugendprogramm sorgt für Arbeit.

Als Chef eines US-Orchesters muss Vänskä, der einst als Orchestermusiker begann (Klarinette), natürlich auch mit Sponsoren Kontakt halten. "Das wird in Europa als Alptraum betrachtet. Es ist allerdings ganz einfach: Ich muss ja jeden Tag essen. Warum sollte ich also nicht mit Leuten essen gehen? Einfluss gibt es keinen. Das sind kluge Leute, die hätten ihre Millionen nicht gemacht, wären sie nicht smart. Und: Ich rede mit ihnen nie über Geld, sondern nur darüber, warum wir Musik brauchen."

Die Wirtschaftskrise wird aber wohl doch ein Thema sein? "Sicher, die Krise beeinflusst auch uns. Wir alle sind in Schwierigkeiten. Hoffen wir, dass das Ganze nicht noch schlimmer wird und nicht allzu lange dauert." Vorerst, auf der Tournee, hat man sich mit anderen Dingen zu befassen. Etwa mit der Qualität der Säle. "Ein schlechter Saal kann auf Dauer den Sound killen. Auf einer Tournee nimmt man, was kommt. Wenn man gut vorbereitet ist, passen sich die Musiker instinktiv an. Über uns hat man einmal sogar geschrieben, dass wir die Akustik des Saals verbessert hätten." Beim Musikverein wird das nicht nötig sein.  (Ljubiša Tošic aus Stuttgart/DER STANDARD, Printausgabe, 4. 3. 2009)