Programmrechte nannte der frühere Medienmulti Leo Kirch einmal das "Öl des 21. Jahrhunderts". Im Bild: das Filmarchiv.

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Stiftungsräte verlangen von ORF-Chef Alexander Wrabetz Aufklärung: Wie konnte die ORF-Enterprise einem privaten Vermarkter die Verwertungsrechte am ORF-Archiv für DVDs und Web-Mediathek abgeben?

Wien – "Da hört sich der Spaß auf": ORF-Stiftungsrat Karl Krammer (SPÖ) klingt mehr als verärgert. Nach seinem Informationsstand hat die ORF-Vermarktungstochter Enterprise die Rechte am kompletten ORF-Archiv an einen privaten Anbieter weitergegeben.

Spätestens beim nächsten Stiftungsrat am 2. April will sich Krammer von der ORF-Führung alle Unterlagen darüber vorlegen lassen. Der Deal sei "so gegen alle Regeln" und nach seiner Einschätzung "nicht im Interesse des Hauses", dass er ihn sich eigentlich "nicht vorstellen kann".
Ein anderes Mitglied des ORF-Aufsichtsrats berichtet ebenfalls im Gespräch mit dem STANDARD von einem entsprechenden Vertrag mit dem Verlag Hoanzl.

Zehn Jahre Laufzeit

Enterprise-Chef Walter Zinggl habe ihn am 23. Dezember 2008, einen Tag vor Weihnachten, unterzeichnet. Laufzeit nach beider Informationen: zehn Jahre.

Die Stiftungsräte machen auf mehrere Unstimmigkeiten, Probleme und Gefahren eines solchen Deals aufmerksam:

- Der Deal wurde nach ihrem Informationsstand ohne Ausschreibung exklusiv geschlossen.

- Zehn Jahre Laufzeit waren der Wettbewerbsbehörde schon beim Vertrag mit dem ÖSV über die TV-Skirechte ein Dorn im Auge, sie musste verkürzt werden.

- Im Finanzausschuss hätten die Stiftungsräte lang und breit von den Video-auf-Abruf-Plänen des ORF selbst gehört, und was da alles rechtlich, etwa aufgrund der EU-Wettbewerbsregeln, nicht möglich sei. Kein Wort dort aber von einer bereits per Vertrag vereinbarten "ORF-Mediathek" eines privaten Partners.

- ORF-Chef Alexander Wrabetz habe im Ausschuss erklärt, er beantrage im Stiftungsrat am 2. April definitiv die Gründung einer Tochter für die Verwertung von Rechten und Lizenzen. Ein Stiftungsrat befürchtet da "Parallelstrukturen" mit dem Vermarktungspartner.

Stiftungsrat muss absegnen

Krammer geht davon aus, dass ein solcher Deal dem Stiftungsrat vorzulegen ist. Er verweist darauf, dass der Rat auch den Einstieg der ORF-Tochter ORS in Bulgarien abzusegnen hatte. Der SP-Stiftungsrat überlegt zudem, ob jemand im ORF aus dem Deal "einen Vorteil für später ziehen könnte".

Hoanzl spezialisierte sich erfolgreich auf österreichische DVD-Editionen, etwa Kabarettprogramme, Theaterstücke und, mit dem STANDARD, "Der österreichische Film". (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 4.3.2009)