Die Website der Europäischen Bürgerkonferenz will eine EU-Debatte in Gang bringen.

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Alles begann mit einem weitergeleiteten E-mail. Seither mischt sich onkwig ein. Und zwar online auf der Website der Europäischen Bügerkonferenzen. Onkwig will, dass Frauen und Männer gleich viel verdienen und er fordert das Ende der totalen Automobilisierung. Onkwig heißt im realen Leben Herwig B. Unter seinem online-Pseudonym postet er Vorschläge von denen er sich wünscht, dass sie in der EU zumindest diskutiert werden.

Die EU soll näher an die Büger, lautet immer wieder die Vorgabe von Politikern und EU-Institutionen. Die Europäischen Bürgerkonferenzen haben sich diesem Ziel angenommen und wollen Menschen aus allen Mitgliedsstaaten zu einer Diskussion einladen.

Zuerst national, dann europaweit

Die Idee zu diesem Projekt der Bürgerkonferenzen kommt von der EU-Kommission und die ließ auch zwei Millionen Euro zur Finanzierung springen. Der Ablauf der Konferenzen: Zuerst soll auf nationaler Ebene diskutiert werden. Dann, in einer zweiten Phase, kommen die Teilnehmer aus allen 27 EU-Mitgliedsländern in Brüssel zusammen. Das Ziel: Gemeinsame Vorschläge für eine bessere EU erarbeiten und diese dann der Politik übergeben.

Und was hat das alles mit dem Intenetzu tun? Im Vorfeld der nationalen - in unserem Fall österreichischen - Diskussionsveranstaltung können über die Website der Europäischen Bürgerkonferenz Vorschläge und Beiträge eingebracht werden. Diese Vorschläge und Beiträge werden in die Diskussion bei der österreichischen Bürgerkonferenz Ende März einfließen.

"Grundsätzlich sind Bürger-Debatten immer zu begrüßen", sagt Heike Hausensteiner-Obermayr, die Autorin des Eurobaromenter-Länderberichts für Österreich. "Natürlich ist Vorsicht bezüglich der Representativität der Ergebnisse geboten, aber jeder Versuch die EU mehr unter die Leute zu bringen ist sinnvoll." Für den Erfolg dieses Vorhabens brauche es aber nicht nur Initiativen von EU-Institutionen, auch die nationale Politik müsse ihren Beitrag leisten.

Sprachliche Gleichberechtigung

Bisher tröpfelt die Debatte allerdings eher dahin. Der derzeit erfolgreichste Vorschlag ist die Forderung nach "Sprachlicher Gleichberechtigung, dem Schutz von Minderheitensprachen, Esperanto". (Esperanto wurde vor mehr als hundert Jahren erfunden, damit Menschen mit verschiedenen Muttersprachen sich unterhalten können. Anm.) 127 Unterstützer hat dieser Vorschlag. Dahinter kommt die Forderung nach einer europäischen Finanzmarktaufsicht mit 46 Stimmen. An dritter Stelle liegt onkwigs Forderung nach dem Ende der totalen Automobilisierung - 32 Stimmen. 

Die Esperanto-Lobby

Herwig B. findet die Bürgerkonferenzen gut. "Vor allem, dass die Politiker an der Meinung der Bevölkerung interessiert sind." Die Intensität der Debatte sei aber noch verbesserungsfähig. "Oft kommt keine richtige Diskussion zustande", bemängelt der 46-jährige Wiener. Das liegt seiner Meinung nach daran, dass die Diskussionsteilnehmer nicht über ein E-Mail benachrichtigt werden, wenn jemand Stellung zu einem Betrag nimmt. "Zum Teil sind die Themen auch komisch", sagt onkwig. Inwiefern? "Es gibt anscheinend eine Lobby, die hinter dem Vorschlag für Esperanto steht", sagt onkwig und fügt aber gleich an, dass das "schon ok" sei. Wenn debattiert werde, dürfen nicht einzelne Vorschläge ausgeschlossen werden. Auch in Frankreich und Deutschland ist das Thema Esperanto erfolgreich. Ansonsten gibt es durchaus Unterschiede: In Spanien hat der Vorschlag für die Legalisierung weicher Drogen bereits 3267 Stimmen. In Deutschland rangiert der Vorschlag nach Menschenrechten auch für Ungeborene mit 132 Stimmen an zweiter Stelle.

Demokratisierung

In Österreich posten derzeit 250 eingetragene User und Userinnen mit. Im Jänner wurde die Website rund 40 mal pro Tag abgerufen. User onkwig wünscht sich mehr Beteiligung, denn "umso repräsentativer wird das Meinungsspektrum - eine Demokratisierung der Beiträge." (mka, derStandard.at, 3.3.2009)