Hyperaktiver Telefonierer wird Vielflieger

Versucht hat es Boris Nemsic in den vergangenen neun Jahren oft. Aber ein Heimvorteil ist eben nicht immer einer. Deshalb ist es dem Generaldirektor der Telekom Austria (TA) nicht gelungen, in seiner Geburtsstadt Sarajewo einen mobilen Fußabdruck zu hinterlassen. Zu oft wurden in Bosnien-Herzegowina Privatisierungen abgesagt. Also bleibt ausgerechnet der geschundene Nachfolgestaat Jugoslawiens ein weißer Fleck auf der von Wien bis an Adria, Schwarzes Meer und Weißrussland reichenden A1-Landkarte.
Nun, da die Expansion von Österreichs größtem Mobilfunkbetreiber auch aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise zum Stillstand gekommen ist, sucht der superaktive Nemsic die Weite Russlands.

Der Zeitpunkt für den Absprung von der Spitze der Telekom Austria an jene von VimpelCom in Moskau darf nicht überraschen, denn Österreichs Handymarkt ist gesättigt, und die TA in der Kostenfalle des schrumpfenden Festnetzes gefangen, die mittels weitreichender Beamtenrechte auch legistisch gut abgesichert ist. Das Resultat: Die Cashcow schrieb erstmals rote Zahlen.

Den Infight mit der mächtigen Postgewerkschaft hat der 52-jährige promovierte Nachrichtentechniker (TU Wien), der 1997 zur Mobilkom stieß und dann im Konzern rasch Karriere machte, nur einmal im Vorjahr gesucht. Nach einer unmissverständlichen Drohung seitens der Kanzlerpartei machte er aber rasch einen Rückzieher und schickte bloß 1250 "unterausgelastete TA-Beamte" nach Hause. Der große Rest der aufgrund technischer Neuerungen notwendigen Rationalisierungen wurde auf 2011 verschoben. Gedient ist damit wohl der Regierung in Sachen Arbeitsplatzsicherung, nicht aber dem börsennotierten TA-Konzern.

Dass Nemsic von Moskau aus zur Gefahr aus dem Osten werden könnte, ist nicht auszuschließen. Denn die fünfmal so große VimpelCom galt stets als möglicher TA-Partner oder -Käufer für den Fall, dass die Republik Österreich wieder einmal in Geldnot ist und Staatsanteile verklopft.

Dass es sich der passionierte Segler, der jede freie Minute auf seiner Yacht (die er selbst als kleines Boot bezeichnet) und seiner Lieblingsinsel (die wirklich klein ist, aber ihm gehört) an der kroatischen Riviera verbringt, in den langen, eisigen Wintern Russlands sehr gemütlich machen wird, darf bezweifelt werden. Denn Nemsics Ehefrau, Tochter und Sohn (beide schulpflichtig) bleiben daheim in Hietzing. Der Dauertelefonierer wird zum pendelnden Vielflieger. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2009)