Sascha Lobo, Blogger, digitaler Bohemien und Buchautor ("Dinge geregelt bekommen ohne einen Funken Selbstdisziplin"), lebt in Berlin.

Foto: Jan Bölsche

Symbolisieren die offene Netzstruktur des Webs: die "Web- ciety"-Stände auf der Cebit. Miterfunden hat das Konzept der Berliner Blogger Sascha Lobo.

Illustration: Dt. Messe AG

STANDARD: Herr Lobo, für die weltgrößte IT-Messe Cebit haben Sie gemeinsam mit einer Werbeagentur das Konzept der "Webciety" entwickelt, eine Wortschöpfung aus "Web" und "Society". Was soll das?

Sascha Lobo: Wir haben den digitalen Messestand erfunden: In der "Webciety"-Halle reisen Aussteller nur mit dem Laptop an und bespielen dann ihren Stand mit Projektionen. Dadurch wird die Cebit interessant für Webfirmen, die bislang nicht wussten, was sie auf der Messe sollten - und in Möbeln, Flyern und sonstigem Standzubehör nicht gut sind. Die Cebit wird somit eine Art Live-Internet.

STANDARD: Warum sollte die "Webciety" uns alle betreffen?

Sascha Lobo: Das ist keine Frage - das Web geht uns alle schon etwas an, nur merkt das nicht jeder. Ob im Wirtschaftswarenverkehr, in der Unterhaltungsindustrie, der Forschung: Das Web ist an vielen gesellschaftlichen Prozessen beteiligt. Wir sind umzingelt vom Netz. Jeder muss sich Gedanken machen, wie er zum Internet steht. Deshalb wird "Webciety" auch das Top-Thema der Cebit sein.

STANDARD: Auch die Oma in Hintertupfing braucht das Internet?

Sascha Lobo: Nehmen Sie die britische Non-Profit-Website fixmystreet.co.uk. Dort kann jeder Probleme in seinem Bezirk melden, eine kaputte Straßenlaterne, ein Schlagloch, das nicht repariert wird. Die Betreiber leiten die Fälle an die Behörden und veröffentlichen, wie schnell etwas repariert wird. Die Site schafft Transparenz, die Administration wird effektiver, die Bürger können sich an den Funktionen des Staates beteiligen. Für die Oma heißt das ganz konkret: Sie hat dadurch schneller eine Laterne vor der Tür, die wieder leuchtet.

STANDARD: Sie glauben offenbar fest dran, dass das Internet zum Herzen der Gesellschaft wird.

Sascha Lobo: Ich beobachte an verschiedenen Fronten: Die meisten Bevölkerungsschichten nehmen das Web langsam ernst, auch wenn es sie bislang nicht interessiert hat. Ein Grund ist: Berichte über Webphänomene in den Offline-Medien sind selbstverständlicher geworden.

STANDARD: Dennoch bleibt die Cebit etwas für Nerds, für Computerfachleute.

Sascha Lobo: Klar, die Cebit bietet ein Schlüsselloch für neue Technologien. Unser Begleitprogramm zur "Webciety" versucht aber, die gesamten Facetten des Internets abzudecken - das wiederum ist für viele spannend. Unser Bühnenprogramm stellt etwa die Wein-Bloggerszene vor, Wein interessiert ja auch Nichtnerds. Auch die Gruppe "DNA digital" wird auftreten: Junge Menschen, die das Bewusstsein dafür schärfen wollen, dass sich die Gesellschaft durch das Internet nun einmal verändert.

STANDARD: Dass medienkompetente Jugendliche so etwas behaupten, war ja nun klar.

Sascha Lobo: Mit dem Stichwort Medienkompetenz wäre ich vorsichtig. Nur weil die sogenannten "digital natives" schnell mit neuen Technologien umgehen können, heißt das nicht, dass sie genügend Know-how haben. Oft verstehen sie den Kontext, die Kultur dahinter nicht. Deshalb plädiere ich ja auch für ein Schulfach "Online- Erziehung". (Mareike Müller, DER STANDARD/Rondo)