Reinhard Neuner ist ein früher Vogel. Denkt zum Beispiel Christian Hoffmann im Teamquartier des ÖSV zu Jablonec gerade darüber nach, was er zum Frühstück nehmen könnte, Müsli mit Früchten oder ohne, stapft der Tiroler schon über die Loipen im Langlaufzentrum Vesec. Der Morgensport des ehemaligen Biathleten kann sich leicht bis in den Abend hinein ziehen. Seit zwei Wochen geht das schon so. Und am Ende, am Sonntag, wird Hoffmann zu entscheiden haben, welches von den zwei Paar Skiern er nehmen wird, die ihm sein Materialchef für den Start der Schinderei über 50 Kilometer ans Herz legt.
Neuner wird da schon ein Vielfaches der Strecke zurückgelegt haben, die sein Athlet im Rennen zu bewältigen hat. Denn das Testen der Ski kann sich vor allem vor dem Marathon nicht auf kurze Strecken beschränken. "Da muss man schon 20, 30 Kilometer laufen, um zu sehen, wie lange ein Ski gut geht" , sagt Hoffmann. "Meistens mache ich zweimal am Tag einen Langzeittest" , sagt Neuner.

Dies, obwohl der internationale Skiverband (FIS) kurz nach WM-Beginn entschieden hat, dass am Sonntag die schon im Weltcup versuchte Pit-Stop-Regel zur Anwendung kommt. Demnach darf bis zu viermal im Rennen auf frischpräparierte Ski umgestiegen werden. Die Athleten werden davon aber zurückhaltend Gebrauch machen. Jeder Umstieg kostet zwischen 15 und 20 Sekunden.

Zwischen wie die Hölle und gar nicht gehen liegen bei bemannten Langlauflatten identer Präparierung bis zu zehn Meter - auf 200 Meter langen Teststrecken wohlgemerkt, weshalb, glitten zwei Läufer rein theoretisch mit ident behandeltem Material auf zwei identen, 7,5 Kilometer langen Teststrecken dahin, der eine 375 Meter früher zum Stehen käme als der andere und also unabhängig von seinem technischen und körperlichen Vermögen schwer im Nachteil wäre. Neuner ermittelte auf der in Vesec zur Verfügung stehenden, in zwölf Sekunden zu bewältigenden Teststrecke Differenzen von bis zu drei Zehntelsekunden.

Zwei aus zehn

Der 40-Jährige hätte es einfacher, wüsste die Skifirma (bei Hoffmann Fischer), welche ihrer nach bestimmten Normen in Serie hergestellten Latten den "Überski" geben, wie ihn ÖSV-Cheftrainer Bernd Raupach nennt. Dieser Ski ist weitgehend ein Zufallsprodukt, das Neuner unter jenen zehn Paaren finden muss, die es in seine Endauswahl schafften.
Die Differenzen sind umso größer, je schwieriger die Bedingungen sind. Und was Liberec anbietet, sind in etwa die schwierigsten Verhältnisse, die Serviceleute vorfinden können - nasser Neuschnee, Temperaturen um den oder knapp über dem Gefrierpunkt. Neuner, als ehemals bewaffneter Langläufer ein Mann mit guten Nerven, kann schon der Verzweiflung nahe sein, wenn ein Ski, der am Vortag noch glitt, dass es eine Freude war, am Tag darauf wegen nur geringer Parameteränderungen wie einem Zentimeter Neuschnee ein Bremser ist.
Und über die Güte der Arbeit von Martin Pfurtscheller, der Hoffmanns Ski den Belagschliff gibt, und von Reinhard Kronbichler, der für das Wachs zuständig ist, sagt das alles noch gar nichts aus.

Gut möglich, dass die von Hoffmann gewählten Skier kurz hinter der Schaufel Löcher haben. Fischer hat diese für alpine Slalomgeräte schon aufgewärmte Erfindung auch im Langlauf präsentiert. Pro Ski wurde damit eine Gewichtsreduktion von fünf Gramm erzielt. Die ausschwingenden Bewegungen im Skating fallen leichter. Und Hoffmann, der 34-jährige Olympiasieger von 2002, der noch keine WM-Einzelmedaille erlief, wird oft auszuholen haben beim 50er. (Sigi Lützow aus Liberec - DER STANDARD PRINTAUSGABE - 28.2. 2009)