Göttingen - Ein Forscherteam des Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience an der Universität Göttingen hat herausgefunden, welche zellulären Mechanismen der Verarbeitung unterschiedlicher Schallstärken zu Grunde liegen. Das Geheimnis liegt offenbar darin, wie die Haarzellen im Innenohr Signale an die nachgeschalteten Nervenfasern weitergeben. Über die aktuellen Forschungsergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences.

Das menschliche Gehör ist in der Lage, ein immenses Lautstärkespektrum wahrzunehmen. Der Lärm eines startenden Jumbojets in hundert Meter Entfernung beispielsweise drückt eine Million Mal stärker auf unser Trommelfell als das Summen einer Mücke. Dennoch ist der Mensch in der Lage alle Lautstärken, die dazwischen liegen, nicht nur hören, sondern auch zu unterscheiden. Das Forscherteam unter der Leitung von Tobias Moser vom Innenohr-Labor an der Universitätsmedizin Göttingen hat den Mechanismus hinter dieser Hörleistung - insbesondere die Funktion der Haarzellen im Innenohr - genauer untersucht.

Dabei entdeckten die Forscher einen für Nervenzellen recht ungewöhnlichen Mechanismus. Durch das Auslenken der Härchen einer Haarzelle verändert sich die elektrische Spannung über ihrer Zellmembran. Die Spannung verändert sich umso mehr, je lauter das Signal ist. Diese Spannungsänderung öffnet Kalziumkanäle, die sich an den Kontaktstellen zu den nachgeschalteten Nervenfasern befinden. Das Kalzium strömt durch diese Kanäle ins Zellinnere und verursacht die Signalübertragung.

Schwache und starke Signale

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass an den Kontaktstellen einer Haarzellen verschieden viel Kalzium einfließt, obwohl alle Kalziumkanäle durch die gleiche Spannung gesteuert werden. "Diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Kontaktstellen einer Haarzelle könnte erklären, warum an einigen Kontaktstellen bereits schwache Signale weitergeleitet werden, während andere erst bei stärkeren Signalen aktiv werden", so Moser.

Anhand von Experimenten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es zwei Gründe für die Unterschiede in der einströmenden Kalziummenge gibt: Die Zahl der Kalziumkanäle ist von Kontaktstelle zu Kontaktstelle unterschiedlich. Außerdem reagieren die Kalziumkanäle in verschiedenen Kontaktstellen auch bei unterschiedlichen Membranspannungen. "Die Haarzelle stattet also ihre Kontaktstellen verschieden mit Kalziumkanälen aus, um nachgeschaltete Nervenfasern unterschiedlich stark zu aktivieren und so das gesamte Lautstärkespektrum abzudecken", erklären die Forscher das Ergebnis. In weiterer Folge sollen die Mechanismen weiter untersucht werden, die zu den Unterschieden in der Anzahl und im Schaltverhalten der Kanäle führen. (pte/red)