Wien - Krise findet Stadt - die Frage ist bloß, wann. "Zurzeit" , sagt Brigitte Jank, die Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, sei die Situation "ganz gut" . Das liege vor allem an dem starken Dienstleistungssektor in Wien. Produktionsbetriebe hätten die Finanzkrise schneller zu spüren bekommen.
Drei Betriebe in Wien haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, wobei das General-Motors-Werk in Aspern mit 1500 Menschen die meisten Betroffenen hat. Die beiden anderen Betriebe schickten um die 20 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Bis zu fünf weitere Firmen haben laut Arbeitsmarktservice (AMS) Kurzarbeit angemeldet.

Arbeitslosenzahlen steigen

Der Arbeitsmarkt ist laut AMS noch stabil. Obwohl die Zahl der Beschäftigungslosen im Jänner im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent gestiegen ist - betroffen sind 79.165 Menschen -, ist die Steigerung im Vergleich zum Rest Österreichs noch im einstelligen Bereich (bundesweit um 12,2 Prozent). Wegen der Wirtschaftskrise rechnet man heuer aber mit bis zu 6000 Arbeitslosen mehr.
"Die Krise wird Wien anders treffen" , sagt Wifo-Experte Peter Mayerhofer. Allerdings sei Wien bis jetzt im Gegensatz zu anderen Bundesländern begünstigt. Mayerhofer: "Bei konjunkturellen Wendepunkten kommt es in Regionen mit hohem Industrieanteil zu einem stärkeren Abschwung." Während im November 2008 die reale Industrieproduktion in Wien um 3,5 Prozent gesunken ist, war der Rückgang in anderen Bundesländern bereits zweistellig - vor allem in Westösterreich, das wirtschaftlich eng mit Norditalien und dem süddeutschen Raum verbunden ist.
"Es ist schon die Frage" , erläutert Mayerhofer, "wo man im Außenhandel eingebunden ist." Dass die Prognose für den Ost- und Mitteleuropäischen Raum noch gut sei, komme Wien zugute, sagt er. "Die Frage ist, ob das halten wird."

Stimmung im positiven Bereich

Beim Konjunkturtest, bei dem Unternehmen nach ihrer Einschätzung der Entwicklung der Wirtschaft abgefragt werden, lag der Stimmungsindex im Oktober 2008 in Wien noch bei 2,7 Prozent im positiven Bereich. Im Februar waren es in der Bundeshauptstadt minus 8,7 Prozent, österreichweit lag der Wert bereits bei minus 21 Prozent.
Untätig zusehen wollte man nicht: Die Stadtregierung nahm einen 100-Millionen-Euro-Kredit auf, um Maßnahmen im Sozial-, Wohn-, Forschungs- Kultur- und Arbeitsbereich vorzuziehen oder auszubauen. Insgesamt fließen 700 Millionen in konjunkturbelebende Maßnahmen.

Die einstürzenden Finanzmärkte machen der Kommune aber zu schaffen. Denn die Entwicklungen haben Auswirkungen auf Cross-Border-Leasing-Geschäfte, die die Stadt und die Wiener Stadtwerke mit US-Investoren abgeschlossen haben (Infrastruktur wurde verleast und zurückgeleast), um Gewinne zu lukrieren. Nun versucht man, aus den Verträgen vorzeitig auszusteigen, weil die Bonität der Versicherer und Banken nicht mehr gegeben ist. Laut den Wiener Grünen drohen Verluste von 280 Millionen Euro. Bürgermeister Michael Häupl (SP) ist dagegen zuversichtlich, dass Wien nicht draufzahlen muss. Bei der ab heute, Freitag, stattfindenden SP-Klubklausur in Rust wird die Finanzkrise im Zentrum stehen. (Bettina Fernsebner-Kokert, Marijana Miljković, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.2.2009)