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Aus der Perspektive von Achim Hasenmüller war das letzte Jahr ein äußerst erfreuliches, kein Wunder: Die kostenlose Virtualisierunglösung Virtualbox konnte sich in den vergangenen 12 Monaten über substantielle Zuwachsraten freuen, mehr als 10 Millionen registrierte BenutzerInnen konnte man bislang schon von den Vorzügen der eigenen Software überzeugen, so der Chefentwickler Achim Hasenmüller in einem Gespräch mit dem WebStandard am Rande der VMworld Europe in Cannes.

Wachstum

Die insgeheim gehegten Befürchtungen, dass sich durch die Integration des eigenen Teams in einen großen Konzern - der ursprüngliche Hersteller Innotek wurde vor etwas mehr als einem Jahr von Sun übernommen - die Entwicklungssgeschwindigkeit verlangsamen könnte, habe sich nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil: Die Zahl der EntwicklerInnen wurde zwischenzeitlich deutlich aufgestockt, so hat man - neben den Büros in Stuttgart - auch einen Standort in St. Petersburg eröffnet, insgesamt 26 Personen arbeiten so derzeit bezahlterweise an Virtualbox.

Spezielle Anforderungen

Eine Expansion mit der man allerdings noch nicht einmal das von Sun gestellte Budget ausgeschöpft hat. Die Problematik sei vor allem, dass es ziemlich schwierig sei, ProgrammiererInnen mit dem nötigen Know-How zur Hypervisor-Entwicklung zu finden, gibt Hasenmüller unumwunden zu. Dass sein Team im Vergleich zu Branchenriesen wie VMware noch immer relativ klein ist, ist dem Virtualbox-Chef zwar durchaus bewusst, einen immanenten Entwicklungsnachteil will er darin aber nicht erkennen. Man müsse schließlich auch sehen, dass der allergrößte Teil der VMware-Angestellten mit den diversen Enterprise-Management-Tools des Unternehmens beschäftigt sei. Etwas worum man sich bei Virtualbox selbst nicht kümmern müsse, insofern kann man sich zur Gänze auf die Hypervisor-Entwicklung - und den Client - konzentrieren.

Ausblick

Und hier hat man in nächster Zeit einiges vor, wie Hasenmüller mit einer Vorschau auf kommende Features verdeutlicht. So soll bereits die nächste Major Release - das für März anvisierte Virtualbox 2.2 - OpenGL-Beschleunigung in virtualisierten Linux- und Solaris-Gastsystemen bieten. Konkret bedeutet dies etwa, dass die Desktop-Effekte von Compiz - oder anderen Compositing Managern - künftig auch in einer virtuellen Maschine funktionieren sollen.

Support

Intern arbeitet man derweil auch an der Unterstützung von DirectX, doch auch wenn man hier bereits einen Prototypen am Laufen habe, wolle man sich zunächst einmal auf OpenGL mit Linux-Gästen konzentrieren, immerhin ist das etwas, was bisher keiner der Mitbewerber im Angebot hat. Auf Perspektive will man aber natürlich dann auch die grafischen Spielereien von Vista und Windows 7 vollständig unterstützen. Für die konkrete Implementation des DirectX-Supports arbeitete man dabei zum Teil mit dem Windows-API-Nachbau Wine zusammen - eine Route die auch Parallels eingeschlagen hat.

Mac OS X

Ein weiteres derzeit in Entwicklung befindliches Feature ist die Unterstützung von Mac OS X als Gastsystem, in diesem Bereich arbeitet man momentan mit Apple an einer gemeinsamen Lösung. Immerhin gelte es hierbei auch einige Auflagen zu beachten, so legt der Computerhersteller aus Cupertino Wert darauf, dass so ein Mac-Gastsystem lediglich dann virtualisiert läuft, wenn darunter auch ein "echter" Apple-Rechner seinen Dienst versieht.

Auch müsse man Apples BIOS-Ersatz EFI praktisch vollständig nachbauen sowie eigene Guest Additions zur optimalen Integration zwischen Host und Gast entwickeln. Der Mac-Gastsystem-Support soll sein Debüt in der Version 2.3 (oder 2.5 - in Fragen der Versionsnummernvergabe hat man sich noch nicht endgültig entschieden) geben, deren Veröffentlichung man derzeit für den Frühsommer plant.

OVF

Ganz oben auf der Liste der angefragten Features steht laut Hasenmüller die Unterstützung von Appliances im Open Virtualization Format (OVF), ein Wunsch dem man ebenfalls schon bald nachkommen will: In Virtualbox 2.2 wird es hierfür einen eigenen Wizard geben, mit dem sich entsprechende virtuelle Maschinen importieren lassen, dabei kann man auch gleich einige der wichtigsten Parameter - etwa den zur Verfügung gestellten Speicher oder den Disk-Platz - anpassen. In der selben Release will man außerdem das VMware Disk-Format VMDK in der Version 1.1 unterstützen, das Support für komprimierte Images bringt.

Export

Später einmal soll es auch möglich sein Appliances im OVF zu exportieren, ein Unterfangen, das Hasenmüller allerdings nicht unbedingt als trivial charakterisieren würde. Immerhin betrete man dabei noch Neuland, vieles sei bei OVF derzeit noch recht vage beschrieben, manches - wie etwa der Punkt 3D-Beschleunigung - sei überhaupt nicht vorgesehen.

Klone

Auf die Nachfrage nach einigen fortgeschrittenen Features der VMware Workstation, rückt Hasenmüller dann auch noch mit weiteren Informationen zur Virtualbox-Zukunft heraus. So habe man intern bereits die Basis-Architektur für den Einsatz von einem ähnlichen Feature zu VMwares "Linked Clones" stehen, eine Funktion, die beim Erstellen von abgeleiteten virtuellen Maschinen nur die Änderungen zum Original speichert und so deutliche Vorteile in Hinblick auf den benötigten Plattenplatz bringt.

Keine wirklich konkreten Pläne hat man für etwa ähnliches wie "Record & Replay", mit dem sich Vorgänge in einer virtuellen Maschine "aufzeichnen" und Schritt für Schritt nachvollziehen lassen. Dies sei zwar ein wirklich tolles Feature, wie Hasenmüller offen konstatiert, aber auch äußerst aufwendig zu implementieren. Sehr viel Arbeit für etwas, das wohl nur von wenigen genutzt werden würde.

Aufteilung

Auf die Frage nach der Relevanz der einzelnen Plattformen zückt Hasenmüller sein Mobiltelefon, anhand der Informationen der in die Software integrierten Update-Verwaltung hat das Unternehmen einen tagesaktuellen Überblick über die Betriebssystemverteilung bei den NutzerInnen der eigenen Software: Demnach verwenden derzeit rund 45 Prozent der Virtualbox-UserInnen Windows, an zweiter Stelle folgt bereits Linux mit 32 Prozent, 10 Prozent entfallen schließlich auf Mac OS X.

Ausblick

Als Wachstumsmärkte sieht der Virtualbox-Chefentwickler vor allem die beiden letztgenannten an. Während der Windows-Markt als Ganzes derzeit eher stagniere, dürfen sich sowohl Linux als auch Mac OS X über spürbare Wachstumsraten freuen. Insbesondere beim Apple-Betriebssystem gebe es derzeit noch einiges an Potential, denn während man unter Linux ohnehin schon die meist verbreitete Client-Virtualisierung sei, habe man auf dem Mac zwei stark etablierte - im Gegensatz zu Virtualbox aber kostenpflichtige - Konkurrenten: VMware Fusion und Parallels Desktop.

Knackpunkte

Vor allem zwei Punkte sieht Hasenmüller dabei als entscheidend für den Erfolg von Virtualbox am Mac an: Einerseits will man das eigene Interface deutlich aufräumen, gerade die Version 4.5 des verwendeten Toolkits Qt biete eine bessere Integration in Look & Feel des Apple-Desktops. Ebenso wichtig sei aber auch die Anpassung des eigenen Marketings, Mac-BenutzerInnen hätten ihre ganze eigenen Kanäle, diese wolle man in Zukunft mit eigens angepassten Angeboten erobern.

Feedback

Die Stärken der Linux-Community sieht der Entwickler hingegen an einer ganz anderen Stelle, von nirgends sonst würden auch nur annähernd so viele wertvolle Rückmeldungen kommen. Dabei helfe natürlich auch, dass die eigene Software zu weiten Teilen Open Source ist. So seien in letzter Zeit durchaus auch substantielle Code-Beiträge von außen in Virtualbox aufgenommen worden, versichert Hasenmüller. Selbst in so Spezialgebieten wie dem Hypervisor selbst komme dies immer wieder vor, in diesen Fällen versuche man dann meist auch gleich die Beitragenden für das eigene Unternehmen anzuwerben.

PR

Nicht zu vernachlässigen sei allerdings auch eine weitere Wirkung von Open Source: Die Freigabe des Codes sei schlicht auch ein großes Marketing-Zugpferd und eine Sympathiefaktor. Selbst Anfragen von Regierungsstellen habe man über den Umweg des Interesses an freien Softwarelösungen bereits erhalten. Wichtig sei dabei allerdings auch, dass man das Thema ernsthaft betreibe, so legt man bei Virtualbox Wert darauf, dass die Entwicklung tagesaktuell in den offen zugänglichen Source-Tree wandert, und nicht - wie bei so manch anderem Unternehmen - große "Code-Drops" durchgeführt werden.

Modell

Sein Ziel es entsprechend weiterhin, dass Virtualbox auf lange Sicht vollständig Open Source werde, derzeit behält man sich ja einige Technologien noch zurück. Dass dem so ist, liege schlicht daran, dass man einfach einige spezifischen Vorteile gegenüber der Konkurrenz haben müsse, um für OEM-KundInnen interessant zu sein. Ein rein auf Open Source basierendes Support-Modell funktioniere derzeit einfach noch nicht. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 08.03.2009)