"1,6 Mrd. Euro mehr für die Unis bis 2012 ..." - Die frohe Botschaft erreicht mich während eines Forschungsaufenthaltes an der National University of Singapore (NUS). Sollte die heimische Politik tatsächlich die dramatische Situation der Universitäten erkannt haben?

Jäh bleibt der Jubel in der Kehle stecken; kein „frisches" Geld wird hier den Unis in Aussicht gestellt, Umverteilung lautet der Zauberschlüssel. Da trifft es auf der Minus-Seite gerade eine Einrichtung, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass die universitäre Forschung in Österreich in einigen Exzellenzbereichen tatsächlich (auch ohne Eliteuniversität) zur Weltspitze aufsteigen konnte. Eine Umverteilung mit verheerenden Konsequenzen für die Zukunft, anstatt die Zeichen der Zeit zu erkennen und in die für ein ressourcenarmes Land wichtigste Zukunftsvorsorge - in „Köpfe" - zu investieren.

Gerade hat der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) sein 40-jähriges Jubiläum gefeiert; erstmals in der Geschichte wurde nunmehr eine Vergabesitzung für entscheidungsreife, positiv begutachtete Projekte aus finanziellen Gründen ausgesetzt. Die Karriere vieler österreichischer Wissenschafterinnen und Wissenschafter ist eng mit dem FWF verbunden, u. a. durch die Finanzierung von Einzelprojekten, Doktorats-Ausbildungsprogrammen, Forschungsaufenthalten im Ausland, Habilitationsprogrammen, START und Spezialforschungsprojekten. Wesentliches Qualitätsmerkmal: Internationale Begutachtung auf höchstem Niveau; die Zielsetzung: Förderung der wissenschaftlichen Forschung.

Forschung, Erkenntnisgewinn

Nun weiß die Politik mit „Wissenschaft" wohl wenig anzufangen; wissenschaftliche Forschung dient dem Erkenntnisgewinn, und Erkenntnis - zu verstehen, wie etwas aufgebaut ist, sich entwickelt hat und funktioniert, oder etwa im Krankheitsfall nicht funktioniert - ist wertfrei, aber Grundlage und Voraussetzung für eine spätere praktische Umsetzung.

Fatalerweise wird „wertfrei" mit „wertlos" verwechselt, und man scheint zu vergessen, dass der Fortschritt von morgen auf den Erkenntnissen von gestern und heute aufbaut. Der politische Auftrag muss demnach sein, ein Umfeld zu garantieren, in dem Forschung und forschungsgeleitete Ausbildung - etwa an den Universitäten - nach internationalen Qualitätsstandards möglich sind; in dem die Kreativität und damit der „zündende Funke" auch ein entsprechend „entflammbares" Umfeld vorfindet, um den „Brand" zu entfachen, der zu konkreten Entwicklungen führt. Forschung ist mobil und wird dort gemacht, wo es die entsprechenden Rahmenbedingungen gibt.

Die mangelnde Wahrnehmung und Wertschätzung von „Wissenschaft" als Kulturgut ist für das Kulturland Österreich beschämend und spiegelt sich auch im politischen Umgang mit den Universitäten wider.
Dass der Standort Österreich für ausländische Kolleginnen und Kollegen und die Ansiedlung von Firmen an Attraktivität verliert, ist ein wesentlicher Aspekt der einschneidenden Kürzungen der Wissenschaftsförderung. Noch dramatischer ist die katastrophale Zukunftsperspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses; wie soll Begeisterung für einschlägige Fachrichtungen und Wissenschaft geweckt und eingefordert werden, wenn die Perspektive für eine wissenschaftliche Laufbahn nicht gegeben ist?

Maßgeblich gefördert durch den FWF, war die Entwicklung der Wissenschaften in den letzten Jahren in Österreich sehr erfolgreich; anstatt jedoch gerade in finanziell schwierigen Zeiten die Vergabe der Forschungsmittel einer erprobten Organisation zu überantworten, ergeben sich durch die dramatischen Kürzungen des FWF-Budgets nunmehr auch böse Konsequenzen für die Universitäten: Maßnahmen zur Schwerpunktsetzung, Profilschärfung, Qualitätssicherung, die auf Forschungsprojekten beruhen, werden unterlaufen; Leistungsvereinbarungen, Karriereentwicklungen, denen der Nachweis erfolgreicher Forschungsprojekte zugrunde liegen, sind akut in Frage gestellt.

Das Desinteresse der Politik an Wissenschaft liegt wohl darin begründet, dass die erzielten Fortschritte kaum mit Legislaturperioden synchron laufen. Auch lässt sich der Erkenntnisgewinn, der zu einer technischen Anwendung, einem durchschlagenden Medikament oder dem Nobelpreis führt, nicht programmieren. Erkenntnis kann und wird heute, morgen oder in der Zukunft zu einer Anwendung führen: Es ist daher auch nicht zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung abzuwägen, sondern sicherzustellen, dass - nach internationalen Regeln und Standards - qualitativ hochwertige Wissenschaft gefördert wird. Der FWF ist seit 40 Jahren ein Garant dafür. Ohne politische Intervention. Wenn man ihn lässt. (Sepp D. Kohlwein, DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2009)