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Forscher haben in der Antarktis entdeckt, dass in der Vorzeit eine Vereisung des Südpols nicht mit Kälte am Nordpol einherging.

Foto: AP Photo/Roberto Candia/file

Cardiff/Wien - Für die noch junge Menschheit dürfte das Ereignis ein Segen gewesen sein: Während mehrere tausend Jahre umfassender Zeitperioden hatten auf der nördlichen Hemisphäre eisige Klimabedingungen geherrscht, bis vor knapp 15.000 Jahren schlagartig Tauwetter einsetzte. Fachleute bezeichnen diese Wärmeperiode als Bölling-Alleröd-Intervall. Ihr folgte ein erneuter Kälteeinbruch vor rund 13.000 Jahren. Die Spuren beider Phasen lassen sich im Packeis Grönlands oder im Tiefseeschlamm des nördlichen Atlantiks nachweisen.

Erstaunlicherweise haben Untersuchungen antarktischer Eisbohrkerne ein gegenläufiges Bild geliefert. Vergangene Kältezeiten im Norden seien demnach nicht mit zunehmender Vereisung am Südpol einhergegangen (siehe "Nature", Bd. 444, S. 195). Der Temperaturkontrast erscheint sogar so stark, dass viele Wissenschafter die Existenz einer "Klimaschaukel" vermuten - der Kopplung von Vereisung im Norden mit Erwärmung am Südpol und umgekehrt.

Ein Forscherteam hat nun neue Hinweise auf die Existenz einer solchen Wechselwirkung entdeckt. Die Experten analysierten die Zusammensetzung einer Sedimentprobe aus dem Südatlantik, die dem Ozeanboden in knapp 5000 Metern Tiefe einige hundert Seemeilen südwestlich vom Kap der Guten Hoffnung entnommen wurde. Das Interesse der Fachleute galt den im Schlamm abgelagerten Skeletten bestimmter einzelliger Lebewesen. Letztere sind ein wesentlicher Bestandteil des Meeresplanktons, und ihre Artenvielfalt ist von der herrschenden Wassertemperatur abhängig.

Das Ergebnis der Untersuchung, das nun in der Zeitschrift Nature (Bd. 457, S. 1097) veröffentlicht wurde, bestätigt den arktisch-antarktischen Klimakontrast - zumindest was die Vergangenheit betrifft.

So nahm beim Einsetzen des Bölling-Alleröd-Intervalls im Norden die Häufigkeit kälteliebender Einzeller im Südatlantik zu. Einen Beleg für schnelle Temperaturänderungen fanden die Wissenschafter im chemischen Aufbau der Skelette von Globigerina bulloides, einer häufigen und relativ unempfindlichen Art. Je kälter das Wasser ist, desto weniger Magnesium lagern diese Einzeller ein. Zu den Zeiten, als auf der nördlichen Hemisphäre das Eis schmolz, hatten die im Süden lebenden Einzeller magnesiumarme Skelette.

Als treibende Kraft hinter der "Klimaschaukel" hat Stephen Barker, Ozeanograf an der Cardiff University in Wales und Erstautor der Studie, die "Atlantic meridional overturning circulation" (AMOC) im Verdacht. Dieses System aus Meeresströmungen funktioniert wie eine Wärmepumpe. So fließt Oberflächenwasser aus tropischen Bereichen in den Nordatlantik, kühlt dort ab, sinkt in die Tiefe und fließt über die Tiefsee wieder Richtung Äquator. "Wenn dieser Kreislauf geschwächt wird, verbleibt die Wärme, die normalerweise nach Norden transportiert wird, im Süden", sagt Stephen Barker. So ließe sich der beobachtete Klimakontrast vergangener Jahrtausende erklären.

Die Forscher betonen, dass ihre Ergebnisse keine Aussage über die möglichen Auslöser der plötzlichen Schwankungen erlaubt. Was also die globale Wärmepumpe ins Stottern bringt, wird die Wissenschaft weiterhin beschäftigen. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 26. 2. 2009)