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Das undatierte Archivbild zeigt Konrad Lorenz mit seinen Graugänsen am Ess-See bei Starnberg in Oberbayern

Foto: APA/dpa

Vor genau zwanzig Jahren starb Konrad Lorenz. Der Begründer der Verhaltensforschung war einer der öffentlichkeitswirksamsten Wissenschafter überhaupt und hierzulande Pionier der Ökologiebewegung. Seine NS-Verstrickungen indes lassen bis heute Fragen offen.

Die Nachrufe in Österreich waren an Pathos kaum zu überbieten: "Lorenz ist in meinen Augen nicht nur der größte Österreicher, sondern auch der größte Biologe unserer Zeit – er ist der Darwin unseres Jahrhunderts", schrieb der Wildbiologe Antal Festetics. Im Nachrichtenmagazin profil schloss der Journalist Günther Nenning seine mehrseitige Würdigung mit dem Satz: "Da wir keinen Konrad Lorenz mehr haben, brauchen wir jetzt ein eigenes nationales Gewissen."

In der internationalen Presse fielen die Reaktionen auf Lorenz' Tod am 27. Februar 1989 etwas differenzierter aus. Neben der Würdigung als "vielleicht bekanntester Experte für Tierverhalten dieses Jahrhunderts" (New York Times) wurden in so manchen Nachrufen auch seine Aufsätze aus der NS-Zeit kritisch erwähnt. "Aber den Nobelpreis hatte er sich dennoch mehr als verdient", meinte die deutsche Wochenzeitung Die Zeit.

Was ist zwanzig Jahre danach geblieben vom Forscher Konrad Lorenz? Was waren seine großen Leistungen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft? Und wie weit reichten seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus tatsächlich?

Um mit der Wissenschaft zu beginnen: Sein Fach, die Verhaltensforschung, hat Lorenz in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts praktisch im Alleingang begründet. Der 1903 geborene Sohn des weltbekannten Orthopäden Adolf Lorenz (der selbst mehrmals für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde) studierte zwar zunächst Medizin. Sein ganzes Interesse galt aber dem Verhalten der Tiere

In einer Art von Privatzoo am herrschaftlichen Anwesen der Familie in Altenberg, rund 20 Kilometer nordwestlich von Wien, gelangen ihm damals völlig neue Einsichten in das Verhalten seiner vor allem gefiederten Hausgenossen. Der revolutionäre Grundgedanke war dabei von Charles Darwin entlehnt: Lorenz übertrug stammesgeschichtliche Konzepte auf das Studium der angeborenen Verhaltensweisen der Tiere und erschloss so ein neues Forschungsfeld.

Förderung aus Deutschland

Die Anerkennung für seine Entdeckungen blieb dem Darwinisten im katholischen Ständestaat allerdings verwehrt. Förderung erhielt er hingegen aus dem Deutschen Reich, wo die Biologie ab 1933 stärker unterstützt wurde als zuvor. Wohl auch deshalb trat Lorenz im Juni 1938 der NSDAP bei, was er nach 1945 bis zu seinem Tod abstreiten sollte. (Sein Beitrittsansuchen tauchte erst im Jahr 2000 auf.)

Und er heulte in einigen Publikationen aus dieser Zeit "mit den Wölfen", wie er es später selbst formulierte: Der Verhaltensforscher war von der Idee besessen, dass die an Gänsen und Enten beobachteten negativen Domestikationsfolgen auch beim Menschen existieren und zu einer genetischen Degeneration führen würden.

1940 wurde er dann das erste und einzige Mal ordentlicher Universitätsprofessor – nämlich ausgerechnet für Psychologie am Lehrstuhl Immanuel Kants in Königsberg. Lorenz erhielt dann aber recht bald seine Einberufung, was dafür spricht, dass er mit seinen Ideen nicht sehr einflussreich war.

Zwischen 1942 und 1944 praktizierte er als Heerespsychiater in Posen. Ob Lorenz dabei an unmenschlichen Taten beteiligt war, wird sich wohl niemals mehr klären lassen. Er selbst hat diese zwei Jahre später gut verdrängt und auch in seinem Lebenslauf anlässlich des Nobelpreises im Jahr 1973 darauf vergessen. Was das Nobelpreiskomitee über seine NS-Verstrickungen wusste, ist unbekannt.

Von 1950 bis 1973 forschte Lorenz übrigens nicht in Österreich, sondern an Max-Planck-Instituten in Deutschland. In dieser Zeit wurde er insbesondere mit seinem Weltbestseller "Das sogenannte Böse" (1963) dann auch zum internationalen Forscherstar.

1978 gelang ihm ein Triumph, dem er selbst indes noch größere Bedeutung zumaß als dem Nobelpreis: Er war wesentlich daran beteiligt, dass die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des bereits fertig gebauten Atomkraftwerks Zwentendorf mit "Nein" ausging. Noch am Tag vor der Abstimmung hatte er in der Krone öffentlichkeitswirksam erklärt: "Ich gestehe, ich habe einfach Angst."

Widerstand gegen Hainburg

Die Krone war dann übrigens auch die einzige Zeitung, die 1984 das Konrad-Lorenz-Volksbegehren gegen den Bau von Hainburg unterstützte. Lorenz wurde zur Galionsfigur des Widerstands und führte Anfang 1985 ein Versöhnungsgespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz – der zweite, bis heute nachwirkende Öko-Erfolg des großen Kommunikators.

Für die heutige Forschung hingegen ist Lorenz eher nur mehr von historischer Bedeutung: als einer der Vordenker der biologischen Wende in den Verhaltenswissenschaften und als Namensgeber von Forschungsinstituten in Wien, Altenberg und Grünau. Im Science Citation Index, der internationalen Börse der Wissenschaftswelt, ist der Kurs seines Namens hingegen ins Bodenlose gefallen.

Die Frage, die Lorenz zeitlebens umtrieb – ob Verhalten angeboren oder erlernt ist -, wird längst nicht mehr durch bloße Beobachtung erforscht, sondern auf molekularbiologischer Ebene. Und während Lorenz in dieser sogenannten "Nature-Nurture-Kontroverse" noch das Primat des "Angeborenen" predigte, ist längst klar, dass Gene und Umwelt nicht voneinander zu trennen sind. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. Februar 2009)