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"Wir wollten den Brenner in einer Liebesgeschichte sehen." – Josef Hader (li.) und Regisseur Wolfgang Murnberger.

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Regisseur Wolfgang Murnberger und Darsteller Josef Hader sprachen mit Dominik Kamalzadeh über Liebe, Jazzschauspiel und böse Witze.

Standard: In "Der Knochenmann" ist Detektiv Brenner das dritte Mal im Einsatz – ein richtiger Serienheld. Auf welche Weise hat er sich für Sie beide verändert?

Hader: Meine erste Überlegung war: Es ist wieder Lebenszeit verstrichen, und der Brenner hat noch immer nichts zusammengebracht. Die Zeit wird langsam knapp. Dadurch wird es immer reizvoller, dem Brenner Herausforderungen von Glück zuzumuten. Je älter er wird, desto interessanter ist die Frage, wie er mit den letzten Ankern umgeht, die er noch werfen kann. Vielleicht war das unbewusst unsere Idee: Der alte Cowboy wird langsam weich. Vielleicht erwischt er noch etwas vom Leben – natürlich haut das nicht hin. Am Ende hat er immerhin überlebt, er hat nur einen Finger verloren, den man möglicherweise wieder annähen kann. Aber ich glaub, nach zwei Wochen ist er wieder an dem Punkt, an dem er am Anfang war.

Murnberger: Für mich kommt das einem Happy End schon sehr nahe. Umgekehrt gab es die Überlegung, woran der Brenner scheitert: am Rohbau eines normalen Lebens.

Standard: Ist der Brenner nicht wie viele Serienhelden zur Einsamkeit verdammt?

Murnberger: Absolut, so gesehen, hat er sich eh weit vorgewagt.
Standard: Die erste Hälfte des Films ist gar nicht krimihaft. Der Brenner stolpert in ein ländliches Milieu und bleibt einfach. Warum eigentlich?

Murnberger: Die Frau motiviert ihn. Er fährt ja nicht wegen den Hendln zur Hendlfarm, sondern wegen der Birgit (Birgit Minichmayr). Es gibt dort aber auch eine unerledigte Sache: Und der Brenner möchte die Dinge immer selbst zu Ende bringen. Wir wollten ihn vor allem in einer Liebesgeschichte sehen. Eine Wer-ist-der-Täter-Geschichte fand ich fürs Kino unbefriedigend.

Hader: Man kennt den Täter und soll ihn auch verstehen. Es gibt keine Guten und keine Bösen mehr. Liebe ist das Hauptmotiv für alle Taten, natürlich auch der Mangel an Liebe. Brenner wird in dieses Schlamassel hineingezogen und kommt nicht ungeschoren davon: Er muss mitten in die verschwitzten Menschen hineinrutschen, die alle brennende Wünsche haben.

Murnberger: Ein reiner Liebesfilm!

Standard: Der Film wirkt auch wie ein Sittenbild, in dem eigentlich alle unerfüllte Sehnsüchte haben. Sie sind beide auf dem Land aufgewachsen – war das hilfreich?
Hader: Die Hauptattraktion auf dem Land sind die Menschen. Wir wollten keine Satire über die Tücken der Provinz machen, sondern einen Film über Menschen, denen man möglichst nah kommt.

Murnberger: Nach Wien und Salzburg sollte der Brenner nicht wieder in eine Stadt geschickt werden. Das Land bringt eine ganz neue Facette für Brenner, der als Grazer ein Stadtmensch ist. Ich kenne mich mit diesen ländlichen Motiven, dem Wirtshaus und Schlachthof, aus – das verbinde ich mit Heimat.

Standard: Der Wirt Löschenkohl, gespielt von Sepp Bierbichler, bleibt ambivalent: Er wirkt grobschlächtig, aber auch zärtlich. Ein toller Gegenspieler für Brenner – wie kam es zu der Besetzung?

Murnberger: Wir haben uns schon beim Schreiben Sepp Bierbichler vorgestellt. Der Sepp ist ja auch ein Wirt, er hat ein Wirtshaus.

Hader: Wir haben uns zuerst in Deutschland bei ihm wie die Lehrbuben vorgestellt. Man darf verraten, dass der Sepp nicht so gerne vorher probt. Natürlich gibt es diese Lähmung, die einen als normalen Schauspieler befällt, wenn man mit dem Bierbichler spielt. Aber er hat das gut aufgefangen: Wir haben uns bald gerne bösartige, schadenfrohe Witze erzählt – da haben wir uns sofort glänzend verstanden.

Standard: Manchmal hat man schon den Eindruck eines Ringkampfs – aber die Energie stimmt ...

Hader: Wirklich? Schauspielerisch war das gar nicht so. Meine Vermutung hat sich bestätigt: Die wirklich großen Schauspieler machen es einem leicht, weil sie mit einem spielen. Hilflos bin ich bei Partnern, die nicht mit mir spielen, sondern für die Kamera. Da gehe ich ein, aber mit dem Sepp spielt man wie mit einem Jazzmusiker.

Standard: "Der Knochenmann" hat auch drastische Momente. Wie dosieren Sie die Grausamkeit?

Murnberger: Ein Rest Provokation muss sein. Das Publikum soll dafür belohnt werden, dass es ins Kino geht. In den Brenner-Filmen findet sich immer etwas Unerhörtes: unerhört brutal, unerhört pervers, unerhört lächerlich. Das sind Dinge, da weiß ich beim Drehbuchschreiben: Jetzt fällt ORF 20.15.

Hader: Etwa bei den Bildern von Prostitution, wie sie Silentium zeigt – oder wie lange die Kamera draufbleibt, wenn jemand mit einem Plastiksackerl erstickt wird. Ich bekomme bei meinen Kino-Rundreisen oft zu hören: "Muss das so lang sein?" Ich sag dann immer: "Der Regisseur ist nicht da, aber er lässt ausrichten, dass er davon ausgeht, dass Sterben ein mühsamer und langwieriger Prozess ist – und er findet, dass in den meisten Filmen Sterben zu einfach ist."

Standard: Die Filme arbeiten also bewusst gegen das Kulinarische?

Hader: Wir sind eine Generation, die in den 70ern New Hollywood erlebt hat. Für mich war schon als 10-Jähriger klar, dass ein moderner Film schlecht ausgeht. Aber es war auch in der Politik so, dass man geglaubt hat, es geht in eine moderne Richtung, und dann ging's erst recht zurück in die 50er – oder in der katholischen Kirche sogar zurück ins 19. Jahrhundert.

Standard: Wo würden Sie sich mit den Brenner-Filmen im österreichischen Kino verorten?

Murnberger: Für mich ist es ideal, wenn man ein Publikum erreicht und zugleich auf ein A-Filmfestival eingeladen wird. Meine ersten beiden Filme habe ich als Autorenfilme realisiert, da denkt man nicht ans Publikum. So kommt man aus der Filmakademie heraus.

Hader: Es geht nicht darum, etwas nur fürs Publikum zu machen. Ich denke bei meinen Texten das Publikum immer mit. Ich schreibe aber nicht, was sie gerne hätten, sondern überlege mir, wie es ihnen grad geht. So kann man den Punkt ausloten, bis sie hinausrennen würden. Und dann macht man schnell etwas, damit sie nicht hi-nausrennen. (DER STANDARD/Printausgabe, 25.02.2009)

Ab 6. März im Kino