M‘s Verteidiger Harald Schuster zerpflückte die wenigen Indizien.

Foto: Standard/Robert Newald

Wien - Dass die Staatsanwaltschaft bei Gericht Anklage erhebt, ist die Regel. Dass eine Staatsanwältin über die Arbeit der ermittelnden Polizeibeamten klagt, ist hingegen die seltene Ausnahme. "Nicht alle Personen waren an der Aufklärung dieses Falles interessiert - wenn Sie sich an die Aussage des Beamten von der Kriminaldirektion 1 erinnern, wissen Sie, was ich meine" , erklärt Staatsanwältin Michaela Schnell am Dienstag im Wiener Landesgericht.

Schnell hält ihre Anklage dennoch aufrecht: Sie ist überzeugt, dass der gebürtige russische Geschäftsmann M. im Jahr 2004 einen Killer engagiert habe, um einen ehemaligen Geschäftspartner umbringen zu lassen. Jener R. soll von M. Provisionen von 250.000 Euro eingefordert und gedroht haben, in einem Finanzstrafverfahren gegen M. auszusagen.

Auftrag für Autobombe

M., so die Anklage, soll auch den Auftrag erteilt haben, dass ihm selbst ins Bein geschossen werden soll, um den Verdacht von ihm abzulenken - später soll er dies abgeändert haben: lieber doch nur den Mercedes in der Garage in die Luft jagen.

Allein: "Als ich diesen Fall übernahm, hatte ich die Aufgabe, die Reste und Fragmente zusammenzuführen" , gibt Schnell freimütig zu. Als Beispiel führt sie jenen Beamten der Kriminaldirektion 1 (KD1) an, der bereits vergangene Woche ausgesagt hatte. Demnach habe am 29. September 2004 bereits die OK-Dienststelle (Organisierte Kriminalität) im Bundeskriminalamt den Fall übernommen. Trotzdem habe jener KD1-Beamte noch Wochen später den Untersuchungsrichter kontaktiert und ihm nahegelegt, man solle sich eine weitere Haft überlegen, da gegen M. nichts vorliege.

Und obwohl rasch klar war, dass das Tatmotiv möglicherweise ein Geschäftshintergrund war, wurden die Firmenunterlagen von M. nie vollständig gesichert.

Dazu kommt: Zwei Zeugen erinnerten sich an ein Telefonat, wonach M. das Autokennzeichen des potenziellen Opfers ausforschen sollte. Aber obwohl M.s Telefone zu diesem Zeitpunkt überwacht wurden, findet sich von diesem Gespräch nichts im Ermittlungsakt.

Eines der wenigen Indizien, die gegen M. sprechen: ein Foto von der "Zielperson" , das laut Zeugenaussagen von M. kopiert und dann dem Auftragskiller übermittelt worden sein soll. Der wichtigste Belastungszeuge - der über mehrere Kontaktpersonen engagierte Scharfschütze - hatte aber erst später erfahren, dass M. angeblich der eigentliche Auftraggeber gewesen sein soll.
Andere Zeugen erklärten wiederum: "Zum Thema M. möchte ich nichts sagen, da ich um die Sicherheit meiner Familie fürchte."

Respekt des Verteidigers

"Hochachtung und Respekt" hat da auch M.s Verteidiger Harald Schuster "für das sehr sachliche Plädoyer der Frau Staatsanwalt" . Um dann die Reste der Indizien zu zerpflücken. Bei besagtem Foto von R., das M. kopiert haben soll, war laut Zeugen der rechte Rand abgetrennt. Das sei beim sichergestellten Foto im Akt aber nicht der Fall. "Das ist nicht jenes Foto, das in M.s Büro fotografiert wurde."

Auch gab es ein Telefonat zwischen M. und jenem Partner, dem er den Mordauftrag übermittelt haben soll. Aber da wurde nur in aller Ruhe über Geschäftliches gesprochen. Am selben Tag soll jener Partner dann aber "hysterisch" telefonisch weitergegeben haben, dass nur das Auto gesprengt werden soll. "Und das ist keinem Ermittler aufgefallen" , kritisiert auch Schuster.
Das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richterin Bettina Neubauer sprach den Angeklagten vom Vorwurf des Mordauftrags frei. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab - das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 25. Februar 2009)