Frankfurt - Die Schwäche des russischen Rubel könnte Devisenexperten zufolge Spekulanten anlocken, die auf einen weiteren Absturz der russischen Währung wetten. Damit droht der ohnehin angeschlagenen russischen Wirtschaft weiteres Ungemach. Zwar hat die Zentralbank in Moskau den Kurssturz des Rubel fürs Erste abgefedert. Doch dies könnte für die russische Währung Experten zufolge nur die Ruhe vor einem noch schwereren Sturm sein.

"Vieles deutet darauf hin, dass das Land erst am Anfang einer Krise steht", urteilt Commerzbank-Devisenexperte Lutz Karpowitz. Er sieht Russland in einem "Dilemma zwischen fallenden Währungsreserven, abwertendem Rubel und strapaziertem Bankensystem".

Seit Anfang November hat der Rubel gegenüber einem Währungskorb aus Dollar und Euro rund ein Drittel an Wert eingebüßt. Am Dienstag wurde der Korb, der zu 55 Prozent in Dollar und zu 45 Prozent in Euro gewichtet wird, mit 40,5103 Rubel (0,8792 Euro) bewertet. Zuletzt hat die Zentralbank in Moskau den Kurssturz des Rubel mit einer Zinserhöhung abgefedert. Seither hält sich russische Währung knapp über der Marke von 41 Rubel gegenüber dem Währungskorb. Sollte sie darunter sinken, hat die Notenbank Interventionen angekündigt.

26 Rubel

Die obere Grenze ihres Bandes sind 26 Rubel. Erwartet wird, dass Spekulanten die Grenzen der Moskauer Notenbank testen werden. "Ein Band reizt zu spekulativen Attacken, um es aufzuweichen und damit auszuweiten. 41 Rubel muss nicht das Ende der Fahnenstange sein", sagte HSBC-Trinkaus-Volkswirt Thomas Amend. Wie lange die Notenbank gegenhalten könnte, hängt vor allem davon ab, wie lange die Währungsreserven ausreichen. "Die Notenbank wird es zunächst schaffen, die 41 Rubel zu verteidigen, doch wenn die Devisenreserven schmelzen, wird es knapp", warnt Osteuropa-Analyst Thomas Gitzel von der LBBW.

"Sollten die Währungsreserven eine kritische Marke unterschreiten, wäre eine Stützung des Rubels nicht mehr möglich und die starke Abwertung führt zu Problemen bei den Fremdwährungsverbindlichkeiten", erklärt Karpowitz. Zwar hat Russland mit rund 400 Mrd. Dollar (313 Mrd. Euro) noch immer die weltweit drittgrößten Währungsreserven. Doch seit Beginn des Rubel-Absturzes sind sie bereits um ein Drittel gesunken. Analysten bezweifeln zudem, dass alle Reserven kurzfristig verfügbar sind, weil sie etwa in langlaufenden Anleihen angelegt sind.

Eine weitere Abwertung des Rubels könnte die ohnehin schon angeschlagene Wirtschaft des osteuropäischen Landes in die Tiefe reißen. "Die russische Wirtschaft ist marode und braucht dringend Investitionen aus dem Ausland. Durch die Rubelabwertung verteuern sich diese drastisch", sagte Gitzel. Je schwächer der Rubel ist, desto teurer wird zudem die Tilgung von Dollar- oder Euro-Krediten. Private russische Unternehmen sind nach Angaben der Zentralbank in Moskau mit 500 Mrd. Dollar verschuldet, zu einem großen Teil bei ausländischen Instituten. 136 Mrd. Dollar sind noch in diesem Jahr fällig.

Solange die Reserven aber halten, droht nach Einschätzung der Analysten Russland keine Wiederholung der Ereignisse von 1998, als das Land in eine tiefe Krise gestürzt war. Damals waren zeitweilig mehr als neun Mio. Russen arbeitslos gewesen.

Auslöser für die aktuelle Abwertung des Rubel ist Analysten zufolge eine massive Kapitalflucht infolge der vom Georgienkrieg im Sommer 2008 ausgehenden politischen Unsicherheit. Die Situation verschärfte sich im Herbst, als die Moskauer Börse abstürzte und die Preise für Rohstoffe auf Talfahrt gingen. "Die Krise zeigt einmal mehr, wie hochgradig abhängig vom Öl die russische Wirtschaft ist", sagte Gitzel. (APA/Reuters)