Wien/Berlin/Brüssel - Die EU geht dran, Steueroasen auszutrocknen. Die OECD soll die internationalen Steuerparadiese neu definieren - 35 bis 40 sollen es weltweit sein. Damit könnte auch die von der Organisation geführte Liste der "schwarzen Schafe" länger werden. Bis zum G-20-Weltfinanzgipfel am 2. April soll das Ergebnis vorliegen. In Europa besteht Hoffnung, dass auch die USA mitziehen im massierten Kampf gegen Schwarzgeldverstecke. Vorschub leistete der Fall UBS - deren Aktien am Dienstag auf ein Rekordtief stürzten.

Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat mehrfach eine solche neue Liste gefordert und die Schweiz dabei prominent erwähnt. Die Schweizer äußerten sich am Dienstag empört, hielten der EU vor, von eigenen Problemen ablenken zu wollen und polterten gleich auch gegen die USA ("sumpfige Verhältnisse in Delaware und Miami") und Großbritannien ("heimliche Trusts auf den Kanal- und Karibikinseln"). Politiker in Bern wie SP-Präsident Christian Levrat orten ein "Swiss-Bashing", sehen die Schweiz in der Steuerfrage international isoliert. Der Finanzplatz Schweiz habe auch ohne den Schutz der Steuerhinterziehung eine vielversprechende Zukunft, sagte Levrat.

Österreich nicht betroffen

Österreich fühlt sich demonstrativ nicht betroffen von der ganzen Debatte und hat keine Sorge, auf einer neuen OECD-Liste zu landen. Die Regierungsspitze in Wien will weiter auf dem Bankgeheimnis beharren. Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) verwies nach dem Ministerrat Dienstagmittag darauf, dass Österreich bei kriminellen Verdachtsfällen ohnehin immer kooperiere. Nicht umsonst sei Österreich im Gegensatz zu Monaco, Liechtenstein und Andorra nicht auf der von der OECD geführten Liste der Steueroasen.

In dieselbe Kerbe schlug Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Er verwies darauf, dass das Bankgeheimnis nicht dazu da sei, Illegalität zu fördern. Hier gebe es seitens Österreichs eine scharfe Verfolgung. Es gebe aber keinen Anlass, das für kleine Sparer wichtige Bankgeheimnis zu opfern.

Wie auch Pröll betonte Faymann ein weiteres Mal, dass es keinen Abtausch zwischen Aufgabe des Bankgeheimnisses und Bewilligung eines Ost-Hilfspakets durch die EU geben werde.

Geteilte Meinung

Während Wirtschaftsforscher Karl Aiginger Österreich keineswegs als Steueroase sieht, erfüllt in den Augen des Finanzrechtlers Werner Doralt das System hierzulande diese Definition schon. Er kann sich der Unterstützung von Attac sicher sein. Aber auch der ehemalige ÖVP-Vizkanzler Josef Riegler ist mittlerweile der Meinung, dass das Bankgeheimnis abgeschafft gehöre. Druck aus dem Ausland, letztlich auch Druck der OECD, hat vor Jahren schon dazu Österreichs Sparbuch-Anonymität zu Fall gebracht.

Die OECD startete 1998 eine "Harmful Tax Competition"-Initiative. Dabei wurden 41 Länder identifiziert, deren Steuergesetzgebung offensichtlich nicht konform mit einem fairen Wettbewerb war. Allerdings fürchteten die OECD-Mitglieder Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg um ihr Bankgeheimnis, so dass die Forderungen gelockert wurden. Das Ergebnis: Im Juli 2008 befanden sich nur noch Andorra, Liechtenstein und Monaco auf der "OECD-List of Uncooperative Tax Havens". Die anderen zeigten sich bereit, steuerschädliche Praktiken einzudämmen beziehungsweise Informationen auszutauschen. Nicht alle ließen freilich den Ankündigungen Taten folgen.

Etwa 6 bis 8 Prozent des weltweiten Vermögens werden nach Schätzungen der OECD in Offshore-Standorten verwaltet. Rund 11,5 Billionen Dollar (9 Billionen Euro) sollen es laut der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network sein.

Große Aufregung in der Schweiz

In der Schweiz ist die Aufregung jedenfalls groß, angeheizt durch die gerichtlich erzwungene Weitergabe von Kundendaten der UBS an US-Behörden. Der Präsident des Verbandes Finanzplatz Genf, Ivan Pictet, fürchtet wegen der Diskussion ums Bankgeheimnis gleich um die Hälfte des Bankgeschäfts in der Schweiz. "Der Finanzsektor würde dann nicht mehr 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sondern nur noch 6 bis 7 Prozent ausmachen."

Schweizer Banken verwalten nach internationalen Medienberichten ein geschätztes Drittel der weltweit grenzüberschreitend angelegten Vermögen von etwa 7.000 Milliarden Dollar. Spekulationen, dass davon etwa 1.000 Milliarden Franken (675 Mrd. Euro) als Steuer-Schwarzgeld in der Schweiz liegen, bezeichnet der St. Galler Bankenprofessors Beat Bernet als "übertrieben." Der Betrag sei "mit Sicherheit deutlich zu hoch". Andere Zahlen nannte er selber nicht. (APA/dpa/sda)